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Über die Moderneverträglichkeit von Islam und Christentum. Nachbetrachtungen zur Regensburger Rede von Papst Benedikt.

Es kann kein Zweifel bestehen, dass der Papst besser daran getan hätte, jenes nun sattsam bekannte Zitat eines byzantinischen Kaisers aus dem 14. Jahrhundert nicht in seine Rede auf der Regensburger Universität einzubauen. Der historische Erkenntnisgewinn einer breiteren Öffentlichkeit über ein untergehendes Reich steht in keinem Verhältnis zu den verheerenden Auswirkungen, die zu Recht mit den Verwerfungen des sogenannten Karikaturenstreits verglichen werden. Die päpstliche Botschaft von der Notwendigkeit des Zusammenspiels von Glaube und Vernunft, die Weiterführung des alten Gedankens des Anselm von Canterbury vom Glauben, welcher die Vernunft "sucht" - fides quaerens intellectum -, und, davon abgeleitet, von der "Unvernünftigkeit" religiös motivierter Gewalt, diese Botschaft wäre wohl auch ohne den Rückgriff auf Manuel II. ausgekommen.

Deren Substanz freilich kann in ihrer Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, sie ist nachgerade unverzichtbar - und die Reaktionen auf die Regensburger Rede haben ihre Richtigkeit und Dringlichkeit umso klarer hervortreten lassen. Hinter diesem entscheidenden Punkt verblassen all die - gewiss legitimen - Einwände, der Papst habe es an diplomatischer Noblesse mangeln lassen oder er habe übersehen, dass er in seinem globalenAmt als Pontifex maximus anders sprechen müsse, denn als Theologe.

Die zentrale Frage bleibt tatsächlich die nach der Anschlussfähigkeit des Islams an die Moderne, an seine Kompatibilität mit einer liberal-pluralistischen, demokratisch-rechtsstaatlichen Gesellschaftsordnung. Natürlich darf das nicht bedeuten, wie die Süddeutsche zu Recht warnte, dass "für Muslime die Unschuldsvermutung aufgehoben" wäre. Aber es ist wohl nicht vermessen zu sagen, dass es seitens des Islams, seiner geistig-geistlichen Eliten, so etwas wie eine Beweislast gibt: zu zeigen, wo sich Ansatzpunkte für eine historisch-kritische, "aufgeklärte" Sicht heiliger Bücher und heiliger Ordnungen finden ließen.

Das Christentum hat hier keinen Anlass zur Überheblichkeit. Was uns heute - hoffentlich - als unhintergehbares "westliches Lebensmodell" im oben beschriebenen Sinne gilt, wurde unter Schmerzen und Mühen gegen den Widerstand der Kirche errungen. Auch die jüdisch-christliche Tradition ist nicht frei von Gewalt, auch ihre heiligen Schriften kennen Repression, von der Geschichte gar nicht zu reden. Aber sie hat eben auch jene Stränge - vom "Gesetz", das dem Menschen nicht äußerlich bleibt, sondern "in sein Herz gelegt" wird bis zum "Sabbat, der für den Menschen" da ist (und nicht umgekehrt) -, die schließlich geschichtsmächtig und zu einer Quelle modernen Denkens wurden.

Nocheinmal: diese Stränge freizulegen, ganz generell die eigenen Schriften und Traditionen dem grellen, relativierenden Licht der Vernunft auszusetzen - das war ein langer und für lange Zeit auch alles andere als freiwilliger Prozess. Das Christentum hat dadurch freilich substanziell, qualitativ gewonnen, insofern es seinem Ursprung wieder nähergekommen ist, auch wenn es - das wäre aber unvermeidbar gewesen - quantitativ verloren hat. Konkret heißt das beispielsweise, dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts in der Kirche eines Vorarlberger Bergdorfs ein philosophisches Symposium stattfinden kann - die Rede ist vom "Philosophicum Lech" -, bei dem naturgemäß auch dezidiert religions-und christentumskritische Positionen, bisweilen durchaus mit ironisch-karikierendem Unterton, vertreten werden.

Nun gibt es gewiss katholische Kreise, die an solchen Beispielen die von ihnen stets beklagte Verwässerung der reinen Lehre, den Identitätsverlust ihrer Religion festmachen würden. Es sind jene, die - wie etwa anlässlich des Karikaturenstreits - gelegentlich auch mit klammheimlicher Bewunderung auf den Islam blicken, weil dort "religiöse Werte" noch etwas zählten. Doch von der anderen Seite gilt es das Pferd aufzuzäumen: So wie es sich das Christentum in einer pluralistischen Gesellschaft gefallen lassen muss, dass seine "Werte" kritisiert, ignoriert oder karikiert werden, so darf und muss ebendieses Christentum solche Maßstäbe auch im Dialog mit anderen Religionen einfordern.

rudolf.mitloehner@furche.at

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