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Abwasser billig gesäubert

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Wohin mit dem Abwasser? Eine Frage, die vor allem im ländlichen Raum nur schwierig zu lösen ist. Zur teuren Kanalisation gibt es jetzt eine Alternative.

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Wohin mit dem Abwasser? Eine Frage, die vor allem im ländlichen Raum nur schwierig zu lösen ist. Zur teuren Kanalisation gibt es jetzt eine Alternative.

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Die Abwasserentsorgung im ländlichen Raum hat zu einer Kostenexplosion vor allem für die weitläufigen Kanalisationsanlagen geführt. Eine Abwasserreinigung in kleinen Entsorgungseinheiten mit einer raschen Rückführung des gereinigten Abwassers in den Wasserkreislauf ist auch aus ökologischer Sicht sehr angebracht. Eine ausgezeichnete Möglichkeit einer einfachen, wartungsarmen, kostengünstigen und landschaftsgerechten Abwasserreinigung stellen Pflanzenkläranlagen dar.

Eine Pflanzenkläranlage ist ein Ökosystem aus Pflanzen, Mikroorganismen und Filterkörpern, bei dem die einzelnen Komponenten in vielfältiger Weise vernetzt sind. Außerdem stehen diese Faktoren mit dem durchsickernden Abwasser in ständiger Wechselwirkung. Sie besitzen die Fähigkeit der Selbstregulation und eine große Widerstandsfähigkeit gegenüber widrigen äußeren Einflüssen.

Eine Pflanzenkläranlage besteht aus einer dichten Wanne mit zirka 100 Zentimeter Tiefe, einem Filterkörper (Sand, Kies), einer Bepflanzung mit Sumpfpflanzen und einer Zu- und Ab-laufeinrichtung. Eine mechanische Vorklärung in einem Absetzbecken oder mit einer anderen Methode (zum Beispiel Filtersack) ist unbedingt notwendig.

Der Boden dient als Substrat für die Pflanzen und muß, um die hydraulischen Bedingungen zu erfüllen, eine gute Durchlässigkeit besitzen. Zur Reinigung trägt er insoferne bei, als eine Anlagerung von Phosphor und Ammonium stattfinden kann und eine sehr gute Hygienisierung des Abwassers erfolgt. Letztere geschieht durch Wurzelausscheidungen und Stoffwechselprodukte von im Boden lebenden Bakterien.

Die Pflanzen tragen über ihr Gefäßsystem Sauerstoff in den Wurzelbereich und schaffen günstige Bedingungen für die dort lebenden Mikroorganismen. Sie halten über ihr Wurzel- und Rhizomwachstum den Boden offen, sorgen also für die Erhaltung der Durchlässigkeit und können auch geringe Mengen von Abwasserinhaltsstoffen (Nährstoffe) aufnehmen. Ein wesentlicher Faktor ist die hohe Verdunstungsleistung der Sumpfpflanzen. Die Abläufe sind mengenmäßig also vor allem im Sommer sehr gering, oft sogar null.

Die Mikroorganismen (vor allem Bakterien) leisten wie bei allen biologischen Beinigungsmethoden den Hauptteil der Abwasserreinigung, indem sie die Inhaltsstoffe des Abwassers zum Aufbau körpereigener Substanz und für ihren Stoffwechsel brauchen. Beim Folgeschritt kommt es durch das Absterben dieser Organismen wieder zur Mineralisierung der Abbauprodukte und zum Einbau in die Bodensubstanz.

Grundsätzlich können zwei Typen unterschieden werden: Anlagen, die horizontal vom Abwasser durchflössen werden und Anlagen, in denen das Abwasser vertikal durchströmt.

Die Bemessung erfolgt mit vier bis sechs Quadratmeter Filterfläche je angeschlossenem Einwohner.

Für die Reinigungsleistung im Hinblick auf die gesetzlich geforderten Parameter gibt es eine Vielzahl von Untersuchungen. Dabei wurden folgende Ergebnisse erzielt:

Die Eliminationsleistung im Hinblick auf die Summenparameter BSB5 und CSB (Abbau der organischen Verbindungen) ist ganzjährig mit 92 bis 97 Prozent sehr gut. Die geforderten Grenzwerte wurden immer unterschritten (beim BSB5 zehn mg/1 -Grenzwert: 25 mg/1; beim CSB 34 bis 40 mg/1 - Grenzwert: 90 mg/1).

Die Nitrifikation (Salpeterbildung durch Bodenbakterien) ist ausreichend und den gesetzlichen Anforderungen entsprechend, so daß der Grenzwert für Ammoniumstickstoff von zehn mg/1 bei einer Abwassertemperatur über zwölf Grad Celsius eingehalten werden konnte.

Die Phosphatreduktion (für die vorliegende Anlagengröße nicht vorgeschrieben) ist in Abhängigkeit des Filtermaterials sehr unterschiedlich. Sie lag bei den untersuchten Anlagen bei 70 bis 50 Prozent. Der oft angezweifelte Winterbetrieb stellt, wie die Erfahrung zeigt, kein Problem dar.

Diese Betriebsergebnisse haben dazu geführt, daß in einem Erlaß der Stei-ermärkischen Landesregierung vom 17. Mai 1993 festgelegt wurde, daß Pflanzenkläranlagen bis zu einer Anschlußgröße von 50 Einwohnergleichwerten den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und wasserrechtlich bewilligt werden. Ein Einsatz dieser Reinigungsmethode wird in Fachkreisen aber bis zu einer Ausbaugröße von 500 Einwohnergleichwerten als sinnvoll erachtet. Eine österreichweite Standardisierung ist im Gange.

Die oben angeführte Reinigungsleistung bezieht sich auf die Anforderungen, die von gesetzlicher Seite an eine Abwasserreinigungsanlage gestellt werden. Ein bepflanzter Bodenfilter vermag aber noch größere Leistungen zu vollbringen, die zwar gesetzlich nicht gefordert werden, aber in bezug auf die Ablaufqualität von Bedeutung sind.

Dazu zählt die gute Entkeimungswirkung bepflanzter Bodenfilter, wenn das Abwasser diesen durchsickert. Sowohl im Winter- wie im Sommerbetrieb wurde eine Eliminationsrate von 92 bis 99 Prozent erreicht.

Weiters ist die Verdunstungsleistung der Sumpfpflanzen zu nennen, die vor allem im Sommerhalbjahr so groß ist, daß in einigen Pflanzenkläranlagen zeitweise kein Kläranlagenablauf registriert wird. Dieser Aspekt muß in Zukunft bei einer korrekten Bewertung der Reinigungsleistung berücksichtigt werden, da bei einer Frachtberechnung die absolute Reinigungsleistung höher einzuschätzen ist als bei Konzentrationsbestimmungen im Ablauf.

Eine erste Näherung bei einer Abschätzung der Ablaufmengen aus Pflanzenkläranlagen ergibt im Jahresdurchschnitt eine Transpirationsleistung von 28 Prozent des Abwasserzulaufes. Bei einem Wasserverbrauch von nur 100 Liter pro Einwohner und Tag, wie er in ländlichen Regionen häufig ist, erhöht sich der Transpirationsanteil auf 40 Prozent der Zulaufmenge. Dies sind erhebliche Minderungen in der Ablauffracht der Abläufe von Pflanzenkläranlagen. Dieses Faktum muß neben der Beurteilung der Leistungsfähigkeit dieser Anlagen auch bei der Bewertung von vorflut-tauglichen Gerinnen oder Verriese-lungen Eingang finden.

Des weiteren wurde im Zusammenwirken von Wurzelausscheidungen und im Wurzelbereich lebenden Mikroorganismen ein sehr guter Abbau von organischen Schadstoffen registriert.

In erster Linie werden Pflanzenkläranlagen zur Reinigung von häuslichem Abwasser eingesetzt. Dafür gibt es in Europa bereits einige tausend Beispiele und die Steiermark zählt zu den fortschrittlichsten Regionen, was Entwicklungsstand und Häufigkeit des Einsatzes dieser Anlagen betrifft. Es sind aber viele weitere Einsatzmöglichkeiten vorhanden: Grauwasserreinigung, Saisonbetriebe (Campingplätze, Schutzhütten, Extremlagen), Gaststätten, Ferienbetriebe, Autobahnraststätten, Deponiesickerwasser, Industrie (zum Beispiel Lösungsmittel-Destillationsgesellschaft Bibesheim, Klöckner Stahl GmbH), Nachreinigung bei erhöhten Anforderungen an die Ablaufqualität.

Aufgrund langjähriger Erfahrungen kann sichergestellt werden, daß Pflanzenkläranlagen die gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Ein sinnvoller Einsatzbereich scheint bis zu einer Ausbaugröße von 500 Einwohnergleichwerten zu bestehen.

Gerade Pflanzenkläranlagen können die Anforderungen, die allgemein an Kleinkläranlagen gestellt werden, sehr gut erfüllen, nämlich:

■ möglichst einfache und robuste Baukonstruktion, hohe Pufferkapazität bei stark schwankenden Abwasserzuläufen und Schmutzbelastungen,

■ weitgehende Betriebssicherheit und stabile Leistung,

■ geringer Wartungsaufwand und

■ keine Geruchs- und Lärmemissionen.

Zudem können neben der derzeit gesetzlich geforderten Reinigungsleistung im Sinne einer gesamtökologischen Bewertung der Abwasserproblematik weitere Vorteile angeführt werden:

■ kein Fremdenergieeinsatz (nur Sonnenenergie notwendig),

■ sehr gute Entkeimung,

■ kein Sekundärschlamm und damit geringe Schlammengen,

■ Eigenleistung möglich - geringere Kosten,

■ Verdunstungsleistung groß,

■ Kleinlebensraum für verschiedene Tierarten,

■ Bewußtseinsbildung im Umgang mit Wasser wird gefördert,

■ kurzzeitige Realisierbarkeit.

Der Einsatz von Pflanzenkläranlagen kann somit gut in ein Gesamtkonzept der Abwasserentsorgung einer Gemeinde oder Region eingefügt werden. In erster Linie muß es aber darum gehen, die Abwasserentsorgung so kostengünstig und ökologisch verträglich wie möglich zu gestalten, was oft in einer kleinräumigen Lösung zu finden ist, denn: „Auch volkswirtschaftlich ist es nicht sinnvoll, einerseits teure (durchaus notwendige) Restaurierungsmaßnahmen und die Anlage von Feuchtbiotopen im Rahmen der Naturschutzaktivitäten zu fördern, andererseits bei der Abwasserentsorgung das in einer Region anfallende Wasser ungereinigt über weite Strecken zu transportieren (hohes ökologisches Risiko und hohe Kosten) und nach einer Reinigung in teuren technischen Anlagen den Vorflutern zuzuführen, wo meist ein rascher Abfluß des Wassers aus der Region erfolgt." (Brigitte Hahn, Bericht an das Bundeskanzleramt, 1993)

Der Autor itt

Biologe und Mitarbeiter des „Joanneum Research ", sein Beitrag ein Auszug aus „Soziale Technik"2J9S (informiert über Forschungsprojekte, Veranstaltungen, Diskussionen im Bereich sozial- und umweltverträglicher Technikgestaltung, IFZ, Schlögelgasse 2, 8010 Graz)

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