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Längst kein Geheimnis mehr ist die Lage, in welcher sich Österreichs Filmwirtschaft — sie existiert ohnehin nur noch in geringen Spurenelementen — seit 1945 befindet. Kein Geheimnis ist es auch, daß nur mit Vorbehalt vom „österreichischen Film“ die Rede sein kann, denn zweifellos wäre die Bezeichnung „deutscher Film aus Österreich“ richtiger.

Seit Kriegsende ist die österreichische Filmproduktion mehr und mehr auf Fremdkapital angewiesen, weil die heimischen Produzenten die Herstellungskosten eines Films nur zum geringsten Teil aus eigenen Mitteln decken können. Dazu kommt, daß die Einspielergebnisse eines österreichischen Spielfilms durchschnittlich nur zu sieben Prozent aus Österreich selbst stammen, dagegen 75 Prozent aus Deutschland und etwa zu 18 Prozent aus dem übrigen Ausland. Ein österreichischer Film bann seine Herstellungskosten also nur einspielen, wenn sich eine deutsche Verleihfirma findet, die ihn einsetzt. Eine deutsche Verleihfirma findet sich aber nur dann, wenn sie an dem wirtschaftlichen Gewinn maßgeblich beteiligt ist.

Woher nimmt der österreichische Produzent etwa auch das Kapital, das er zur Herstellung eines Films benötigt? Er beschafft es durch Inanspruchnahme eines Exportförderungskredites, der durch Wechsel gesichert ist, die der deutsche Verleih der österreichischen Produktion aushändigt — allerdings nur bis zu der Höhe der vom Verleih übernommenen Einspielgarantie. Daraus resultiert das wirtschaftliche Schwergewicht des deutschen Verleihs, das diesem nicht nur die Möglichkeit gibt, der österreichischen Produk- •tionsfirma harte Verleihbedingungen aufzuzwingen, sondern ihm auch das Entscheidungsrecht in allen anderen Fragen — vom Drehbuch über den Schauspieler bis zum Regisseur — ermöglicht.

Es liegt also klar auf der Hand, daß Österreichs Produzenten sich aus diesem Abhängigkeitsverhältnis von den deutschen Verleihern nur ‘befreien können, wenn man ihnen Mittel und Wege erschließt, das für die Herstellung eines Films unbedingt hotwendige Kapital im eigenen Land zu erhalten.

Wohl stellt das Bundesministerium für Unterricht jährlich einen gewissen Betrag (für 1968 sind es ungefähr 12 Millionen Schilling) zur Förderung österreichischer Filme zur Verfügung, doch kann dieser Betrag niemals eine echte Hilfe für den Spiel-

film sein. Auf Gruhd seiner Kompetenzen ist das Unterrichtsministerium nur zu einer Förderung jener Filme in der Lage, bei denen es sich um kulturelle Anliegen von gesamt- österreichischem Interesse handelt.

Betrachtet man rückblickend die weite Filmkrise, dann entdeckt man ein Gemeinsames: Überall haben sich die gesetzgebenden Körperschaften eingeschaltet und Filmhilfsgesetze beschlossen, überall war man sich darüber im klaren, daß Film nicht nur nationale, sondern auch und vor allem internationale Bedeutung hat. Mit 130 Millionen Schilling subventionieren zum Beispiel so kleine Länder wie Schweden und Dänemark jährlich ihre Filmwirtschaft. Italien stellt seiner Filmindustrie jährlich sogar Subventionen in der Höhe von

Millionen Schilling zur Verfügung, Frankreich 390 und Großbritannien 260 Millionen Schilling.

In diesen Ländern beschränkt sich die Filmhilfe jedoch nicht nur auf die Produktionsfirmen. Auch dem wachsenden Kinosterbe’n wurde durch entsprechende Maßnahmen ein Riegel vorgeschoben und die Kinosteuer entweder ganz abgeschafft oder zu einer Bagatellsteuer reduziert. Schon seit Jahren gibt es beispielsweise in Schweden, Dänemark und Großbritannien keine Kinosteuer mehr, in Frankreich beträgt sie zwei bis 12 Prozent. In Österreich wurde zwar durch das Finanzausgleichsge- setz die Vergnügungssteuer mit 10 Prozent begrenzt, doch mußten den Ländern Erhöhungsmöglichkeiten ei’ngeräumit werden. Nach wie vor beträgt sie daher in unseren Bundesländern bis zu 25 Prozent. Erst in jüngster Zeit macht sich — zumindest in einem Teil der Bundesländer — der Trend bemerkbar, die Kinovergnügungssteuer auf 10 Prozent zu beschränken.

Wie sieht nun aber die Situation unseres finanzkräftigen Nachbarn, der Bundesrepublik Deutschland, seit Beschluß des dortigen Filmförderungsgesetzes aus? Zunächst muß einmal festgestellt werden, daß allein die Ausgangssituatioh in der Bundesrepublik eine wesentlich andere war, als es bei uns der Fall ist. Die Deutschen waren immerhin imstande, auch ohne Filmförderungs- gesetz den vieldiskutierten „jungen deutschen Film“ auf die Beine zu stellen. Ein wesentlicher Faktor, der bei uns wegfällt: sicher gibt es auch in Österreich da und dort vereinzelte Versuche, „jungen Film“ zu machen, doch scheitern diese Versuche — ganz abgesehen von den finanziellen Schwierigkeiten — zumeist an mangelndem handwerklichem Können und mißglückter Themenwahl.

In Deutschland werden Zuschüsse für Filme gewährt, die erstens „nicht gegen die Verfassung und Gesetze verstoßen oder das sittliche und religiöse Gefühl verletzen“, und zweitens im Inland (also der Bundesrepublik) eine Verleiheinnahme von wenigstens 500.000 Mark innerhalb von zwei Jahren nach der Uraufführung verzeichnen können.

Prädikatisierte Filme haben auf einen . „Zusatzbetrag“,.,, der nicht unter 100.000 Mark liegen darf und der sich nach dem Einspielergebnis richtet, Anspruch.

Ein deutscher Produzent erhält für eine Koproduktion mit dem Ausland nur dann eine Förderung, wenn er vorher mindestens zwei deutsche Filme gedreht hat. Und schließlich müssen alle Forderungssummen zur Herstellung neuer Filme verwendet werden und zwar so, daß mindestens 60 Prozent der Produktionskosten anderweitig aufgebracht werden.

Dieses Filmförderungsgesetz bedeutet in der Praxis, daß die Forderungssummen im allgemeinen nur jenen Produzenten zugutekommen, die schon vor Jahren zur Ursache der Filmkrise beitrugen, denn mit wenigen Ausnahmen (zu denen etwa

Mai Spils Uberraschungserfolg „Zur Sache, Schätzchen“ zählt) gelingt es den • Nachwuchsproduzenten noch nicht, Einspielergebnisse von 500.000 beziehungsweise 300.000 Mark innerhalb von zwei Jahren allein in der Bundesrepublik zu erzielen. Qualität erfährt demnach durch dieses Gesetz nur sehr bedingt uhd überaus schematisch Förderung.

Zwei Schlüsse, die auch für Österreich volle Gültigkeit haben, muß man aus dem deutschen Filmförderungagesetz ziehen: erstens, daß ein Filmhilfsgesetz wohl ein Wirtschaftsund kein kulturpolitisches Gesetz sein soll, Qualitätsunterschiede aber trotzdem berücksichtigen müsse und zweitens, daß kein Filmhilfsgesetz immer noch besser ist als ein schlechtes.

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