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Schutz dem österreichischen Wald!

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In wenigen Jahren tritt unser altes Reichsforstgesetz vom 3. Dezember 1852 in das hundertste Jahr seines Bestandes. Es war zu seiner Zeit ein hervorragendes Gesetzeswerk — wie ja überhaupt die fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts eine Reihe ausgezeichneter Gesetze hervorgebracht haben — und hat sich in der Praxis durchaus bewährt. Es gab der Staatsgewalt die Handhaben, um der Verwüstung des Wertvollen Gutes, das unser Wald darstellt, wirksam entgegenzutreten, ohne aber allzusehr in die Privatrechte der Waldbesitzer einzugreifen. Wo sich Lücken zeigten, wie es im Laufe der Jahre ganz natürlich war, zum Beispiel bei der Anmeldung von Kahlschlägen und besonderer Vorsorgen in Wildbachgebieten, konnten sie durch die Landesgesetzgebung ausgefüllt werden. Seit aber durch die Bundesverfassung von 1925 das Forstwesen wieder zur Gänze in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes übergegangen ist, ist die Weiterentwicklung der Forstgesetzgebung ins Stocken geraten; der Bund hat kein Interesse gezeigt, an den Grundsätzen des Reichsforstgesetzes zu rütteln, und die Bedürfnisse der Länder sind zu verschieden gestaltet, als daß sich eine gemeinsame Grundlage für eine Reform hätte bilden können. Soll eine zeitgemäße Erneuerung des Forstgesetzes ermöglicht werden, so muß zunächst den Ländern das Recht gegeben werden, im Rahmen der von der Bundesgesetzgebung aufgestellten Grundsätze die den Bedürfnissen der einzelnen Länder entsprechenden Neuregelungen zu treffen.

Das österreichische Forstwesen ist ja gegenwärtig nicht bloß durch das Reichsforstgesetz geordnet, sondern neben diesem bestehen die zum Teil sehr alten landesgesetzlichen Vorschriften derzeit noch als Bundesg#setze fort.

Es gilt also zunächst, der unübersichtlichen und die Verwaltung erschwerenden Zersplitterung der mannigfaltigen und vielfach veralteten Ländervorschriften ein Ende zu machen; andererseits bedürfen aber auch die Normen, die noch weiterhin der Bundesgesetzgebung vorbehalten bleiben müßten, einer sachlichen Erneuerung.

Das Reichsforstgesetz hat, wie es im Kundmachungspatent von 1852 ausdrücklich gesagt ist, nur die Sicherstellung der Holzbedürfnisse der Bevölkerung im Auge; der Wald soll erhalten und gepflegt werden, damit der Holzbedarf nachhaltig gedeckt werden könne. Dieses Ziel ist gewiß auch heute noch von der allergrößten Wichtigkeit; außerdem ist uns aber gegenwärtig auch die Bedeutung des Waldes für die Verhinderung von Lawinen- und Wasserschäden, für das Klima des Landes, für die Gesundheit der Bevölkerung und für den Fremdenverkehr voll bewußt. Auf diese Ziele müßte in einem neuen Bundesforstgesetz ausdrücklich hingewiesen werden.

Für die Gesundheit der Bevölkerung genügt es aber nicht, den Wald als Luftreservoir zu erhalten, sondern es muß der Allgemeinheit das Recht, den Wald zu betreten und in ihm Erholung von der Arbeit in Fabrik und Büro zu suchen, gewahrt werden. Zur Zeit der Erlassung des. Reichsforstgesetzes hat es gewiß noch als selbstverständlich gegolten, daß es niemandem verwehrt werden darf, einen fremden Wald zu betreten, solange er den forstpolizeilichen Ordnungsvorschriften nicht zuwiderhandelt. Das geht schon aus 55 RFG hervor, der das Forst-personal nur berechtigt, Personen aus dem Walde zu weisen, die abseits der öffentlichen Wege betreten werden und zu Besorgnissen für die öffentliche Sicherheit oder das Waldeigentum Anlaß geben. Liegt eine solche Besorgnis begründeterweise nicht vor, so kann niemandem das Betreten des Waldes verwehrt werden. Auch heute empfindet es das allgemeine Rechtsbewußtsein als Unbilligkeit, wenn aus Jagdrücksichten ein ganzes Waldgebiet abgesperrt wird; es erscheint aber gegenwärtig doch notwendig, den Grundsatz der Waldfreiheit im Gesetz zu verankern, weil der gesteigerte Wert des Holzes, die sich immer vergrößernde Zahl der städtischen Ausflügler, die zunehmende Bürokratisierung der größeren Forstverwaltungen und schließlich das böse Beispiel des Auslandes befürchten lassen, daß mancher Waldbesitzer, ohne von der Behörde gehindert zu werden, versuchen könnte, seinen Wald abzusperren und ihn der freien Benützung durch die Allgemeinheit zu entziehen. Es darf in Zukunft nur der Forstbehörde aus begründeten forstpolizeilichen Rücksichten, nicht aber im bloßen Interesse des Waldbesitzers gestattet sein, einen Wald abzusperren.

Einer Neuregelung bedarf auch die Frage, wann ein Grundstück als Wald anzusehen und zu behandeln ist. Die alte Streitfrage, ob die Waldeigenschaft einer Parzelle nur nach dem Grundsteuerkataster oder nach der tatsächlichen Bestückung zu beurteilen ist, wäre dahin zu lösen, daß jedes dieser Kriterien für sich allein genügt, um die Qualifizierung einer Parzelle als Wald zu begründen. Ferner wäre ausdrücklich festzulegen, daß auch kahl geschlagene oder durch Elementarereignisse verwüstete Grundflächen so lange als Wald anzusehen sind, als nicht die Kulturänderung von der Behörde genehmigt wird.

In 9 des Reichsforstgesetzes ist die nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes nur für solche Wälder vorgeschrieben, auf denen Einforstungen lasten. Die im allgemeinen Interesse der Volkswirtschaft notwendige Sicherung einer möglichst großen Holzproduktion erfordert, daß die Pflicht zur nachhaltigen Bewirtschaftung auf alle Wälder ausgedehnt wird. Um die sachgemäße Bewirtschaftung des Waldes zu sichern, ist es aber notwendig die Waldbesitzer in größerem Umfang als bisher zur Bestellung von fachkundigen Wirtschaftsführern zu verpflichten. Es kann der Landesgesetzgebung überlassen werden, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen ein akademischer Forstwirt oder bloß ein geprüfter Förster bestellt werden muß, und in welchem Fall es genügt, daß der Waldbesitzer sich der Aufsicht eines nicht in seinen Diensten stehenden Forstmannes unterstellt. Das Verhältnis des Wirtschaftsführers zum Wäldeigentümer, über das das Reichsforstgesetz keinerlei Bestimmungen enthält, wäre dahin zu regeln, daß der Wirtschaftsführer der Behörde gegenüber für die Einhaltung der Bewirtschaftungsvorschriften verantwortlich ist und daß er berechtigt ist, gegen sachwidrige Anordnungen des Eigentümers die Entscheidung der Forstbehörde anzurufen. Auch die Verpflichtung zur Aufstellung von Wirtschaftsplänen wäre gegenüber dem bisherigen Recht auszudehnen; die Einzelheiten wären der Landesgesetzgebung zu überlassen. Um auch bei kleineren Wäldern eine fachgemäße Bewirtschaftung zu sichern, wäre die Bildung von Waldgenossenschaften möglichst zu fördern.

Damit wären die wichtigsten Neuerungen gekennzeichnet, die in einem neuen Bundesforstgesetz Platz zu finden hätten. Da aber auch in verschiedenen anderen Einzelheiten Verbesserungen wünschenswert sind, so zum Beispiel hinsichtlich des Schadenersatzes bei Holztriften, hinsichtlich der Regelung der im Reichsforstgesetz nicht berücksichtigten Waldbahnen, hinsichtlich der nachbarlichen Beziehungen zwischen Wald- und landwirtschaftlichen Besitzern und anderes mehr, so kann eine bloße Novellierung des Reichsforstgesetzes nicht genügen, sondern es ist eine völlige Neufassung notwendig. Den Landesgesetzen wird aber neben den bereits berührten Fragen insbesondere das ganze Gebiet der Anmeldung der Bezüge an Forstprodukten und der forstpolizeilichen Auszeige, die Details der forstpolizeilichen Vorschriften, wie Hege-legung, Plenterbetrieb usw., die Frage der Bewirtschaftung der Gemeindewälder und die Bestellung des Forstschutzpersonals zur Regelung zu überlassen sein. Ferner hätten die Länder über .die Einrichtung eines Landesforstfonds schlüssig zu werden, der die Kosten aller forstlichen Förderungsmaßnahmen, insbesondere der Bekämpfung von Insektenschäden, zu tragen und zu größeren Aufforstungen, die die Kräfte der Waldbesitzer übersteigen, oder bei Waldbränden Beiträge zu leisten hätte; insbesondere hätten die Länder darüber Beschluß zu fassen, ob den Waldeigentümern zur Stärkung des Landesforstfonds eine allgemeine Waldumlage aufzuerlegen wäre..

Es wird heute viel über das Uberwuchern der Gesetzgebung geklagt, andererseits muß aber doch anerkannt werden, daß es gerade heute besonders wichtig ist, veraltete Gesetze zu erneuern, Uberflüssiges abzustoßen, Unübersichtliches zusammenzufassen, weil nur durch eine Reform der Gesetze die Grundlage für die so dringend notwendige Reform der öffentlichen Verwaltung geschaffen werden kann.

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