Die höchste Arbeitslosenrate Osteuropas, ein Budgetdefizit von mehreren Milliarden, angebliche stalinistische und Ustascha-Putschversuche, aufbegehrende Intellektuelle, Dezentralisierungsbestrebungen in Partei und Gewerkschaften, die drohende Rückkehr hunderttausender bisher im Westen beschäftigter Gastarbeiter, hohe Staatsverschuldung, Minderheitenkonflikt in der albanischen Region Kosovo, Nationalitätenstreit zwischen Serben, Kroaten und Slowenen — dieses Bild bietet Jugoslawien heute an der Oberfläche dem ausländischen Beobachter. Noch hält Marschall Tito, vor knapp drei Wochen 83 Jahre alt geworden, dieses scheinbare Chaos mit eiserner Faust zusammen. Aber der Krankenwagen ist seit einigen Monaten ständiges Requisit im Begleitkonvoi des greisen Marschalls.
Es gab wenige, die sich seiner Persönlichkeit entziehen konnten. Jahrelang galt der Kirchenfürst mit den asketischen Gesichtszügen als der Märtyrer für die Freiheit der Kirche schlechthin. Und als Vorkämpfer gegen das unmenschliche Gesicht des Funktionärskommunismus in Osteuropa. Für viele galt er aber, besonders irr den letzten Jahren, auch als „Relikt einer vergangenen Zeit“ und wesentliches Hindernis für einen „fruchtbaren Dialog“ mit den kommunistischen Regimen.