Arthur Miller mitten in Teheran

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Zum zweiten Mal errang der iranische Regisseur Asghar Farhadi den Auslands-Oscar. "The Salesman", der diesjährige Preisträgerfilm verbindet das Drama von Arthur Miller mit dem heutigen Iran.

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Zum zweiten Mal errang der iranische Regisseur Asghar Farhadi den Auslands-Oscar. "The Salesman", der diesjährige Preisträgerfilm verbindet das Drama von Arthur Miller mit dem heutigen Iran.

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Bereits einmal -2012 für die Trennungsgeschichte "Nader und Simin" - errang Asghar Farhadi den Auslands-Oscar. Dieses Jahr war es wieder soweit, und der iranische Regisseur konnte die Trophäe für "The Salesman" ein zweites Mal in den Iran holen -genauer gesagt: holen lassen: Denn Farhadi war aus Protest gegen die Trump'schen Einreiserestriktionen erst gar nicht an den Hollywood-Boulevard gereist. Und zumindest der mediale Boulevard in deutschsprachigen Landen machte auch die politischen Umstände für diesen Oscar verantwortlich, dem der deutschösterreichische Film-Hype "Toni Erdmann" zum Opfer gefallen sei.

Sollte damit die Qualität von "The Salesman" in Zweifel gezogen werden: Dafür gibt es keinen Anlass. Denn das Verweben des Arthur-Miller-Dramas "Tod eines Handlungsreisenden" in eine Verkettung verschiedener Ereignisse im Teheran von heute ist ein cineastisches Meisterstück, in dem die Grenzen von Schuld und Verantwortung woanders liegen, als es zunächst den Anschein hat: ein Film, wie man ihn von Asghar Farhadi gewohnt ist.

Einstürzende Altbauten

Das junge Ehepaar Emad (Shahab Hosseini) und Rana (Taraneh Alidoosti) muss Hals über Kopf seine Wohnung im Zentrum von Teheran verlassen, weil das Haus einzustürzen droht. Emad ist Literaturprofessor an einer höheren Burschenschule. Abends proben er und Rana für eine Aufführung von Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden", das in wenigen Tagen Premiere haben wird.

Als Ensemblekollege Babak von der Wohnungsmalaise des jungen Paares erfährt, bietet er eine Bleibe in einem Haus, das ihm gehört, an. Doch die Vormieterin dort hat ihre Sachen noch nicht weggebracht. Sie war, wie die wohlmeinende Nachbarschaft den neuen Mietern steckt, eine Dame mit viel zu viel Herrenbesuch. Als Rana am Premierennachmittag allein in der Wohnung duscht, wird sie überfallen und erheblich verletzt. Emad findet seine Frau im Krankenhaus, sie kann wieder nach Hause, aber trotz ihres Versuchs, die Premiere zu spielen, muss die Vorstellung abgebrochen werden.

Emad weigert sich jedoch, zur Polizei zu gehen und den Überfall auf Rana anzuzeigen. Statt dessen beginnt er, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen, um den Täter zu stellen. Dass dieser ein Bündel Geldscheine in der Wohnung sowie seinen Wagen vor dem Haus zurückgelassen hat, sind Spuren, denen er nachgehen kann. Außerdem durchsucht er die Habseligkeiten der Vormieterin.

Doch die private Detektivarbeit von Emad belastete zunehmend die moderne Beziehung, die er mit Rana führt. Nach und nach gerät er in einen Strudel, in dem immer weniger klar ist, ob er nun den Überfall an seiner Frau aufklären will, oder ob er sich immer weiter in einen persönlichen Rachefeldzug ohne Rücksicht auf irgendwelche Beteiligte verstrickt.

Vielfältige Beziehungsebenen

Das Stück von Arthur Miller und dessen Zugang zu den existenziellen Fragen bildet dabei einen Hintergrund, auf dem auch die vielfältigen Beziehungsebenen in Farhadis Film verhandelt werden. Das Theaterstück gehört gewiss nicht zu dem, was das iranische Regime auf den Bühnen des Landes sehen will - Schwierigkeiten mit der Zensur werden auch bei der Aufführung des "Todes eines Handlungsreisenden" im Film thematisiert.

Andererseits ist klar, dass Farhadi ein Regisseur ist, der sich in dem Maße mit dem Teheraner Regime (und dessen Zensur) arrangiert hat, dass er Gesellschaftskritik nur so weit übt, als dies möglich ist. Man muss "The Salesman" aber konzedieren, dass unter derartigen Auspizien er dennoch ein gesellschaftsdiagnostischer Film geworden ist, der subtil bis offen zeigt, was Menschen auch im Iran von heute umtreibt. Dass dies sozusagen allegorisch am Drama eines uramerikanischen Schriftstellers aufgehängt werden kann, zeigt, was heutzutage aus Teheran schon alles kommen kann.

The Salesman (Forushande)

Iran/F 21016.

Regie: Asghar Farhadi. Mit Shahab Hosseini, Taraneh Alidoosti, Babak Karimi. Thimfilm. 125 Min.

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