Berühmt am Ende der Welt

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Der aus der Donaumonarchie stammende Gottfried Lindauer zählt zu den berühmtesten Malern Neuseelands.

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Der aus der Donaumonarchie stammende Gottfried Lindauer zählt zu den berühmtesten Malern Neuseelands.

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In keiner einzigen deutschsprachigen Enzyklopädie, weder im "Brockhaus", "Meyers Universallexikon" und auch nicht im "Kunstlexikon des 20. Jahrhunderts" findet sich eine Zeile über den Altösterreicher Gottfried Lindauer (1839 bis 1926), der in Neuseeland zu den berühmtesten Malern zählt - ein Versäumnis, das dringend nachzuholen ist.

Vor 160 Jahren, am 5. Jänner 1839, kam der Maler als Hynek-Bohumir in Pilsen zur Welt. Blumen waren die ersten Motive, deren sich der Sohn eines Gärtners annahm. Mit 16 Jahren wanderte er zu Fuß nach Wien und studierte bei Leopold Kupelwieser und Joseph von Führich in der Akademie am Schillerplatz. Er änderte seinen Namen in Gottfried Lindauer - hauptsächlich, um seine tschechische Herkunft zu verschleiern - und arbeitete ab 1861 im Wiener Atelier von Carl Hemerlein, einem beliebten Porträt- und Kirchenmaler. Beauftragt mit Wandgemälden in zwei mährischen Kirchen, begründete der spätere Atheist und Agnostiker 1864 sein eigenes Atelier in Pilsen. Sein Mäzen, ein Doktor von Meyer, der auch Leibarzt des türkischen Sultans war, vermittelte weitere Porträtaufträge für den lokalen niedrigen Adel.

Diese Arbeit wurde durch eine Einberufung zum Militärdienst unterbrochen. Gottfried Lindauer diente drei Monate, bat danach um Rückstellung für ein Jahr und als er 34jährig nochmals in der k. & k. Armee dienen sollte, emigrierte beziehungsweise desertierte er von Hamburg mit dem Schiff "Reichstag" nach Neuseeland. Die britische Kronkolonie war damals noch dünn besiedelt, erst seit 1837 legte die New Zealand Company europäische Siedlungen auf Neuseeland an.

Die Maori als Motiv Nach seiner Ankunft im Jahre 1874 blieb Lindauer drei Jahre auf der Südinsel und verdiente sich seinen Lebensunterhalt hauptsächlich mit Porträtmalerei, seine Klientel waren die neureichen weißen Siedler, er versuchte sich in europäischer Genre-Malerei beziehungsweise dem damals beliebten Kopieren alter Meister, aber schon bald entflammte sein Interesse für die Maori. Als erster Europäer malte er die Ureinwohner Neuseelands in Öl und - für damalige Verhältnisse höchst ungewöhnlich - fotografierte sie.

In Auckland begegnete er einem jungen Geschäftsmann, Henry Partridge, der von seinen Skizzen und Entwürfen stark beeindruckt war und fortan sein Kunsthändler wurde. Gottfried Lindauer blieb, abgesehen von drei Europareisen um die Jahrhundertwende beziehungsweise noch vor dem Ersten Weltkrieg, in Neuseeland, heiratete zweimal und verbrachte den Rest seines Lebens damit, foto-naturalistische Porträts der abenteuerlich bis furchterregend im Gesicht tätowierten Maorihäuptlinge zu schaffen.

Bewahrtes Andenken Noch zu Lebzeiten konnte er seinen Erfolg genießen, seine Bilder wurden 1886 in London und später bei der Weltausstellung 1904 in St. Louis (USA) gezeigt. Die Sammlung, bestehend aus 62 Porträts und acht anderen Arbeiten, ist unter dem Titel "The Partridge Collection" seit 1913 Kernstück der Auckland Art Gallery. Die heute verhältnismäßig gut in die moderne - genauer gesagt: weiße, europäisch-neuseeländische - Gesellschaft integrierten Maori bewundern die naturalistische Maltechnik, die es ihnen ermöglicht, das Andenken an ihre Stammeshäuptlinge zu bewahren; Historiker und Ethnologen benutzen die Gemälde für wissenschaftliche Arbeiten, wenngleich auch manche kleineren Fehler im Detail der Tätowierungen beziehungsweise der Szenerie ethnographisch nachgewiesen werden konnten.

Gegenwärtige Kunstkritiker melden bei der Einschätzung des Îuvres leichte Vorbehalte an, derart, daß Gottfried Lindauer ein hauptsächlich "kommerziell orientierter Reise-Maler" war, der vom europäischen Blickpunkt ein angeblich aussterbendes Volk in romantisierender Weise (nur) abmalte. Unbestritten bleibt, daß sein Werk, gemeinsam mit dem von C. F. Goldie die Welt Maori auf das Umfangreichste darstellt und Gottfried Lindauer zu Recht zu den berühmtesten und bekanntesten Künstlern am anderen Ende der Welt gezählt wird.

Ein zweiter österreichischer Künstler, der in Zusammenhang mit Lindauer in Neuseeland genannt werden muß, ist der etwas weniger berühmte Eugene von Guerard, ein Landschaftsmaler, den es ebenfalls in der Mitte des 19. Jahrhunderts in den pazifischen Raum, das heißt nach Australien und später kurzfristig nach Neuseeland verschlug.

Sein Vater, Bernhard von Guerard, war ein im Dienst der Familien Auersperg und Schwarzenberg stehender Miniaturmaler. Was den 1811 in Wien Geborenen bewegte, nach einem künstlerischen Studium in Italien bei G. B. Bassi, anschließend in der Akademie in Düsseldorf unter Schirmer und Schadow, im Jahre 1852 als Goldgräber sein Glück in Kalifornien zu versuchen, wissen wir nicht genau. Bald aber reiste er weiter nach Australien und lebte meist in Melbourne, von wo er seine australischen Landschaften zu deutschen Ausstellungen sandte. 1865, als Lindauer noch in Europa war, auch auf die Royal Academie in London. Zumindest einmal, 1877 bis1879, besuchte er Neuseeland und malte am Lake Wakatipu. 1882 kehrte er nach Österreich zurück, starb aber unter nie geklärten Umständen 1901 in Melbourne. Mehrere Werke werden unter dem Titel: "The Mackelvie Trust Collection" in der Auckland City Art Gallery geführt, der überwiegende Teil seines Îuvres befindet sich allerdings in privaten Sammlungen in Australien.

Merkwürdig bleibt die Tatsache, daß im "Land der weißen Wolke", in dem sich sonst kaum andere historische oder gegenwärtige Kulturverknüpfungen mit Österreich in irgendeiner Form bemerkbar machen, zwei Wiener und ein Altösterreicher, allesamt Maler, nämlich Eugene von Guerard, besonders aber Friedensreich Hundertwasser (neuerdings: "Dunkelbunt") und der in Europa völlig unbekannt gebliebene Gottfried Lindauer einen wesentlichen Bestandteil und Kontinuität im Kunstbereich darstellen.

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