Brexit und Europas Kino: eine Ungewissheit

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585 Seiten lang ist der Entwurf der britischen EU-Austrittsvereinbarung, doch das Wort "Kultur" kommt darin nur als agriculture und aquaculture vor. Auswirkungen auf diesen Bereich, und mit ihm das Kino, zeichnen sich jedoch ab. Zum Lostag könnte je nach Art des Brexits der 31.12.2020 werden: Da endet nicht nur die Übergangsperiode, sondern auch der aktuelle EU-Haushalt - und "Creative Europe" ist neu zu verhandeln. Förderungen daraus spülten 2007 bis 2017 circa 340 Millionen Euro in den britischen audiovisuellen Sektor. Sein Subprogramm MEDIA hat für den Film die meiste Bedeutung -welche, zeigt "Ich, Daniel Blake" von Ken Loach. Eine Million Euro wurden allein ausgeschüttet, um den Cannes-Sieger quer durch Europa in die Kinos zu bringen. "Creative Europe"/ME-DIA berührt jedoch weitere Komplexe: die Ausbildung und den Zugang zu Netzwerken. Darauf verweist Christine Dollhofer, Leiterin des Linzer Filmfestivals "Crossing Europe", mit zwei Szenarien: Norwegen, das per Abkommen Zugang hat, und die Schweiz, die ausgeschlossen ist und eigene Kompensationstöpfe einrichten musste. An MEDIA-Projektmitteln kompensieren müsste das Bristoler Kurzfilmfestival "Encounters" jährlich 30-50.000 Pfund. Der Brexit wirke sich bereits heute aus: Der Zuzug von Talenten habe sich verringert, so Direktor Rich Warren, und werde es weiter, sollten Visas und Obergrenzen eingeführt werden. Auch das "British Film Institute" sah 2017 in einer Studie die Personenfreiheit als größten Knackpunkt. Eine andere, die Waren-Freizügigkeit, ist ein Thema für sich. Sie beträfe indirekt auch Koproduktionen wie "Little Joe", das aktuelle österreichisch-britisch-deutsche Projekt von Jessica Hausner ("Lourdes"), da Transporte durch Zoll etc. schwieriger würden. Direkte Auswirkungen sieht Produzent Bruno Wagner nicht, es sei dann ein Drittland - "die Verträge sind jetzt auch schon höchst kompliziert". Mag die materielle Auswirkung für den kontinentalen Film begrenzt sein, so steht London vor einer Richtungsentscheidung für das britische Kino der Zukunft. Immateriell richtet die Scheidung auf Europäisch schon Schaden an. Der Filmemacher Peter Strickland ("Berberian Sound Studio"), der mit britischer Finanzierung in Europa gedreht und einen deutschen Weltvertrieb hat, sieht darin nur einen Vorteil: "Dass es Regisseure inspiriert, sich einige sehr unterhaltsame Filme über Macht, Spaltung und Täuschung auszudenken."

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