Buch der Woche: Brasilien - Venedig im Zickzack

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Julia Mann trifft den brasilianischen Komponisten Nepomuceno hundert Jahre Melancholie.

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Julia Mann trifft den brasilianischen Komponisten Nepomuceno hundert Jahre Melancholie.

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Soviele Folgen wie Tage das Jahr muß eine brasilianische Rundfunk-Novela mindestens haben. Die 729 Seiten von "Ana in Venedig" sind daher durchaus angebracht. Dahinter stehen drei Jahre sorgfältige Recherche über Thomas Mann und den brasilianischen Komponisten Alberto Nepomuceno, dessen Klavierkonzerte auch bei uns erhältlich sind.

Ein Roman, der hundert Jahre umspannt, mit authentischen Figuren, die nur fiktiv aufeinandertreffen, in Venedig: Julia Mann, die Mutter von Heinrich und Thomas, Alberto Nepomuceno und Julias schwarzbrasilianische alte Amme Ana, die Titelheldin.

Auf daß sich der brasilianische Komponist Nepomuceno in Venedig zurechtfinde, gibt ihm Autor Joao Silverio Trevisan den legendären Führer "Tre Giorni a Zig-Zag per Venezia e Isole" in die Hand. Und so geht auch die Handlung: Zickzack hundert Jahre europäische und brasilianische Kulturgeschichte. Vielschichtig komponiert nennt sich dieses Zickzack im Klappentext. Verlorene Lesefäden finden sich wieder, manche Ereignisse werden mindestens doppelt geschildert: In der Erzählung, in Tagebuchform, im Selbstgespräch, in der rückblickenden Betrachtung eines außenstehenden Ich.

Uns Österreicherinnen und Österreicher, die wir zum Kaffeetrinken nach Venedig fahren, freuen die Schwärmereien über Venedig, doch zuweilen langweilen sie auch. Erquickend dann die kleinen Streitereien zwischen Julia und ihrem Senator Heinrich Mann.

Ganz besonders hübsch geriet die bei Zitronensorbet und Prosecco geführte Unterhaltung über die brasilianische Saudade, die Traurigkeit. "Sie hat etwas von Gedenken und sehr viel von Einsamkeit" sagt Alberto Nepomuceno. Und sie durchwirkt den ganzen Band. Was wohl der guten Übersetzung von Karin von Schweder-Schreiner zu danken ist. Personifizierte Saudade: Die alte Schwarze Ana, die an einer ebenso literarisch wie medzinisch exakt beschriebenen Tuberkulose stirbt.

"Ich entdeckte, daß jedes Leben, und möge es auch noch so zerrissen sein, immer dramatisch und faszinierend ist", gesteht der in Brasilien sehr bekannte 53jährige Autor Joao Silverio Trevisan seinen Leserinnen und Lesern. Und er schreibt: "Das Leben, ein so strahlendes Abenteuer. Aber auch so grausam".

Wer sich durch die 729 Seiten mit Hilfe des Glossars durchkämpft, weiß mehr von diesem Leben. Vor allem von einem Leben, das wie eine lange Novela gern Zickzack geht.

Ana in Venedig Roman von Joao Silverio Trevisan. Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Karin von Schweder-Schreiner, Eichborn Verlag, Frankfurt/M. 1997, 739 Seiten, geb., öS 364,

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