Charmante Normverletzung

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Ein Leserbrief ermutigt den Sprachkritiker, nochmals das Thema Regelverstöße aufzugreifen. Anlass der Zuschrift war die im öffentlichen Jargon fast schon übliche Un-Form' in keinster Weise. Dieser seltsame Superlativ sprengt das System der Grammatik, die für unbestimmte Pronomina keine Steigerung vorgesehen hat. Warum ich diesem sprachlichen Ungetüm mit einem nachsichtigen Lächeln begegne, ist seine offenkundige, geradezu augenzwinkernd-charmante Verletzung der Norm. Da wollte wohl einmal jemand einer Negation besonderen Nachdruck verleihen und hat dabei unwillkürlich oder spielerisch in die falsche Lade gegriffen. Und weil die falsche Form ins Ohr ging oder einem verbreiteten Ausdrucksbedarf entsprach, hat sie sich allen fachlichen Bedenken zum Trotz durchgesetzt.

Beispiele dieses Typs lassen sich auch aus anderen Ecken des Sprachgebrauchs beibringen. Da wäre etwa das wanderbare Österreich der Tourismus-Werbung. Streng genommen lassen nur transitive Verben eine Ableitung auf -bar zu. Aber der semantische Reim auf wunderbar ist eben zu verführerisch.

Häufig wird auch beklagt, dass Diskutanten ihre Wortmeldungen mit der stehenden Floskel "Ich würde sagen" eröffnen. Gewiss, dieser Konjunktiv ist ebenso überflüssig wie würde-los', denn der Sprecher sagt ja gerade wirklich etwas. Hinter dieser Umschreibungssucht mag Unsicherheit, Distanzierung, vielleicht nur der Hang zu verzögernden Füllwörtern stecken.

Selbst Handwerker oder Lieferanten verfallen der Konjunktivitis', wenn sie an der Wohnungstür verkünden: "Wir wären jetzt mit dem Geschirrspüler da." Ist da ein Bedingungssatz ("Wenn Sie Zeit haben", "Wenn es Ihnen passt" oder ähnlich) mitzuverstehen oder drückt sich darin nur der in Österreich besonders hoch entwickelte Möglichkeitssinn aus?

Der Autor ist Professor für Sprachwissenschaft in Salzburg.

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