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Das Kunsthaus Graz zeigt aktuelle japanische Kunstpositionen.

Diese Ausstellung stellt für jeden, der gegenwärtig mit asiatischer Importware sein ausgedünnt westliches Alltagsleben zu bereichern versucht, eine tatsächliche Bereicherung dar. Kein überdimensioniertes Porzellanschälchen, gefüllt mit japanischem Grüntee, kein Sojasaucen leckendes Manga-Kätzchen, keine Oregami-Performance und auch keine Videosequenzen, in denen Youngsters Sushi-Burger vertilgen und über Zen faseln, sind anzutreffen.

Was es in den zwei amorphen Stockwerken des Grazer Kunsthauses zu sehen gibt, bietet dem aktuellen "Japanboom" reichhaltige und inspirierende Seh- und Denkräume. "Chikaku. Zeit und Erinnerung" zeigt 20 japanische Künstlerinnen und Künstler und ihre Wahrnehmung (jap. Chikaku) ihres zwischen tief verwurzelter Tradition und Hypermoderne stehenden Heimatlandes.

Der Zeitraum der ausgestellten Arbeiten seit den 1950er Jahren bis in die Gegenwart bietet ein breit gefächertes Spektrum. Inhalte sowie mediale und konzeptuelle Ausrichtungen der einzelnen Werke verstören mitunter das europäisch geschulte Kunstauge. Gut so! Struktur verleiht diesem divergierenden Kunstrundgang ein sich durch den Raum windendes weißes, mit Stoff umspanntes Stahlband des Architekten Makoto Sei Watanabes ("Ribbon", 2005). Entlang dieser architektonischen Intervention, die wesentlich das Innen und Außen, "chi" (wissen) und "kaku" (fühlen), Offenheit und Geschlossenheit des Ausstellungskonzepts prägt, soll sich der Besucher den Kunstobjekten nähern.

Verlorene Lebenszeit

Melancholie begleitet den Dialog von Zeit und Gedächtnis. So spielen in Miwa Yanagis sentimentalem Video "Girls in her Sand" (2004) zwei alte (!) Mädchen vor wehenden Zeltstoffen im Sand. Den Betrachter lockt diese Installation in ein schwarzes Zelt. Für wenige Minuten gräbt man an diesem "inneren Ort" nach seiner verlorenen Lebenszeit. Auch kommt die Genderthematik (noch?) ohne Blut- und Körpersäftegespritze aus, ohne Pietätsverletzungen und sichtbare Tabubrüche. Der auf Brutalität und Gewalttätigkeit gelenkte Blick findet sich in einem fast märchenhaft, betont einfühlsamen Kunstarrangement wieder. Yayoi Kusama zeigt ein mit Silberobst und unzähligen Phalli beladenes Holzboot auf der Fahrt zum großen kosmischen Frauensterben ("Walking on the Sea of Death", 1981). Auch ihre mit Gold überzogenen Plastikrosen, die in einem Phallusgarten stecken ("Rose Garden",1998), erblühen ungeniert auf überdüngter Metaphorik.

Sensibilisierung durch Hightech: Hiroyuki Moriwaki siedelt seinen "Lake Awareness"(2005) in einer spezifisch japanischen Sicht von Leben und Natur an. 3300 elektronische Scheiben, zu einem Netz verbunden, kommunizieren über Signalkabel miteinander. Immer dann, wenn man in der Nähe des Objekts mit den Händen winkt, beginnen die Leuchtdioden blau flimmernd zu pulsieren. Die "Reizung" wird weitergeleitet und als mysteriöses Gedächtnis tradiert und gespeichert. Man kommt nicht umhin, auf der Suche nach dem wahren Japan den "Dialog mit der vierten Dimension der Wahrnehmung" zu wagen.

Eben nun betritt Dante Japan. Motohiko Odanis kürzlich entstandenes Werk "Berenice" (2005) ist ein weißes Kugelgebilde von drei Meter Durchmesser, das die apokalyptische Bedrohung einer Atomwaffe ausstrahlt. Der Kern der Bombe ist entfernt. Der unheimliche Hohlraum strotzt von überwältigenden Kräften, die empirisch unsichtbar den Betrachter fortreißen. Aus dem Paradies, dem Inferno zu.

Chikaku

Zeit und Erinnerung in Japan

Kunsthaus Graz

Di bis So 10 bis 18 Uhr, Do bis 20 Uhr

bis 11. September

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