Das Handtuch als Medium

Werbung
Werbung
Werbung

Jetzt wo die nachsommerliche Normalität uns wieder umfangen hält, eine kleine Reflexion auf die Urlaubszeit. Eine Zeit in der urlaubende Menschen jedweder Nationalität ihr Revier mithilfe eines Handtuches abstecken. Frühmorgens (manchmal sogar vor dem Frühstück) wird die Liege der Wahl mithilfe eines dort aufgelegten Handtuches markiert. Das signalisiert allen anderen "This seat is taken.“ Es handelt es sich dabei um einen medial vermittelten aber selten explizit gemachten Konsens. Er lautet: Wenn eine Liege mit einem Handtuch belegt ist, dann ist sie auch in Absenz der Beleger reserviert - dieses Recht gestehe ich anderen zu, nehme es aber auch für mich in Anspruch. Jenseits dieser Symbolkraft des Mediums Handtuch lauert das Naturrecht. Was tut man denn, wenn jemand, der (in Unkenntnis dieses Konsenses) der Meinung ist, jemand habe einfach ein Handtuch vergessen, es folglich entfernt und sich selbst auf die Liege legt? Wenn man nicht an eine übergeordnete Instanz (Bademeister so vorhanden) appellieren kann oder durch Erklären des impliziten Konsenses diesen explizit machen kann, bleibt nur das Recht des Stärkeren. Denn abgesehen von den wenigen Hotels in denen Regeln aushängen, wie das Reservieren von Liegen von Statten zu gehen habe, ist es eben eine rein freiwillige, wenn auch reziproke Übereinkunft.

Das Medium wirkt - das Handtuch ist die Message. Wie man aber im Sommer beobachten kann, ist das Handtuch mittlerweile ein globales Medium. Nur selten kommt es zu wirklicher Gewalt, meist wird es stillschweigend oder zumindest nach Debatte akzeptiert. Das könnte eigentlich Hoffnung auf interkulturelle Konsense geben, wenn es sich nicht um so etwas Triviales handeln würde, wie eine präferierte Liege. Wobei, wenn wir uns an die Ernsthaftigkeit mancher Mitmenschen erinnern, mit der das Belegen betrieben wird …

* Der Autor ist Prof. f. Medienwissenschaft an der Uni Klagenfurt

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung