Der Erfinder des Monokini

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Dem Modeschöpfer Rudi Gernreich widmet der "steirische herbst" eine Ausstellung.

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Dem Modeschöpfer Rudi Gernreich widmet der "steirische herbst" eine Ausstellung.

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Angenommen sie existieren, mit welchen menschlichen Errungenschaften sollten außerirdische Zivilisationen wohl beglückt werden? An Bord einer Raumkapsel, die 1965 ins All geschossen wurde, befanden sich jedenfalls die Bibel, die Pille - und ein Monokini, also jener Badeanzug, den Kinderbadehosen der Zwischen-kriegszeit nachempfunden, der den Busen seiner Trägerinnen unbedeckt ließ. Erfinder dieser ersten Oben-ohne-Mode, die seinerzeit zu weltweiter Erregung führte, war der gebürtige Wiener Rudi Gernreich. Der "steirische herbst", der am 6. Oktober in die Lande zieht, widmet dem bedeutenden, hierzulande aber nahezu unbekannten Modeschöpfer ein große Ausstellung: "Fashion will go out of fashion" im Grazer Künstlerhaus.

Das Time Magazine erklärte Gernreich 1967 in einer Titelstory zu Amerikas einflussreichstem Designer. "Seine Entwürfe und Vorstellungen sollten wesentlich für die dress codes der letzten 40 Jahre werden", unterstreicht Brigitte Felderer, Kuratorin der Ausstellung, Gernreichs Bedeutung. Der Modeschöpfer reduzierte Kleidung nicht nur auf den ästhetischen Aspekt, sondern betrachtete sie als kulturelle Geste, als Ausdruck von Lebensformen und Ideologien. Er erkannte, dass es sich bei der Mode um ein Vehikel zum Transport von Kultur und Gegenkultur handelt.

Gernreichs Arbeit gilt als exemplarisch für eine Avantgarde in der Mode, die ästhetische Trends und kulturelle Veränderungen ihrer Zeit aufnimmt und reflektiert. In diesem Sinn stellte er mit seinen Entwürfen und Ideen die traditionelle Geschlechterordnung in Frage und betonte die Bedeutung der Jugend für die Modeindustrie. Heute, wo schon Volksschüler genau wissen, welche Marke cool ist und welche nicht, erweisen sich diese Vorstellungen als geradezu prophetisch.

Mit der Ansicht hingegen, Mode käme aus der Mode (Fashion will go out fashion), lag er - zumindest bis heute - gewaltig daneben: 1970 verkündete er, Mode würde in Zukunft nur noch funktionalen Ansprüchen genügen, als Schutz vor Kälte oder Hitze. Der Unterschied zwischen Kleidung für Männer und Frauen würde völlig verschwinden, auch Schmuck oder Kosmetik würden obsolet, prophezeite er.

1938 hatte Rudi Gernreich vor den Nationalsozialisten aus Österreich fliehen müssen. Er kehrte bis zu seinem Tod 1985 nie wieder zurück. Wozu auch? "Im Österreich der sechziger und siebziger Jahre wurde nicht jene Modegeschichte geschrieben, für die man ihn hätte vereinnahmen können", bringt Kuratorin Felderer die hiesige Rückständigkeit in Sachen Mode auf den Punkt. Also wurden keine Straßen nach Gernreich benannt, kein Professorentitel wurde ihm verliehen. Die einzige Einladung, die er nach 1945 je erhielt, ließ er unbeantwortet: jene zum 35-jährigen Maturatreffen.

Bis 26. Oktober

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