Der Körper wird zum Politikum

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Tanz als Mittel zur Identitätssuche: Das dürfte der Überbegriff für die Einladungspolitik von Tanzstücken bei den Wiener Festwochen gewesen sein. Das Ergebnis fiel allerdings unterschiedlich aus.

"Man muss den Stammeskörper auslöschen. Man muss einen neuen Körper erschaffen", hieß es in "The Marrabenta Solos" von Panaibra Gabriel Canda. In Maputo/Mosambik geboren, setzte er seine Biografie mit der wechselhaften Geschichte Mosambiks in Verbindung. Dabei ging es um die Frage, welche Rolle der Körper mit all seinen unterschiedlichen Identitäten, die von außen aber auch innen kommen, einnimmt.

So drehte sich vieles um "das Auslöschen von rituellen, von schwarzen, afrikanischen Körpern, um einen assimilierten Körper zu erschaffen". Dass dies nicht so einfach möglich ist, wurde im Laufe des Abends immer deutlicher, und man begann als Zuschauer zu verstehen, wie es ethnischen Minderheiten ergeht. Das knapp einstündige Solo, eine abwechslungsreiche Mischung aus Text mit kompakten Botschaften und rituellen, aber auch modernen Tanztechniken, war in seiner politische Aussage über den Umgang mit Menschen in Mosambik unter die Haut gehend.

Groteskkomische Körperbilder

Auch Marlene Monteiro Freitas beschäftigte sich mit der Verwandlung des Körpers. In "Guintche" wurde sie zu einem Paradiesvogel, der sich ständig wandelt und auf einer Identitätssuche zu sein scheint. Dabei arbeitete sie nur mit wenigen Requisiten und vor allem ihrem eigenen Körper, der mehr wie eine formbare Masse als feste Form wirkte. Zu Beginn stand Freitas in der Bühnenmitte, hoch aufgerichtet, mit beiden Beinen fest am Boden verankert. Während das Becken rhythmisch wackelte, waren es anfänglich vor allem Gesicht und Hände, die für unterschiedliche, teils groteskkomische Bilder sorgten. Da wurden riesige Plastiklippen mit der Zunge aus dem Mund vor eben diesen geschoben, auf den geschlossenen Augenlidern waren wiederum Augen aufgemalt. Ihr Gesicht verzog sich immer wieder zu Grimassen, die Freude, Trauer aber auch Zorn ausdrückten. Durch die sehr rhythmische Musik von Cookie wirkte sie wie in Trance. Ein starker Abend, der auch das Publikum in einen Trance- und Erschöpfungszustand versetzte.

Aus der Zeit gefallen wirkte dagegen "4+2" des TAO Dance Theater aus Peking. In seinem Quartett ließ der Choreograph Tao Ye die Tänzer vollkommen synchron durch den Raum gleiten. Asymmetrische Kostüme und schwarze Gesichter machten eine Identifikation des Einzelnen fast unmöglich, und man erinnerte sich an "assimilierte Körper". Im folgenden Duo erkundete Ye gemeinsam mit Duan Ni die gestalterischen Möglichkeiten eines am Boden liegenden Körpers, ohne diese Ebene wirklich zu verlassen. Beide Choreographien wirkten mehr wie eine Laborsituation, die man so in Wien schon seit den 1990er-Jahren oftmals gesehen hat.

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