Der Lyriker Umberto Saba als Erzähler

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Der 1957 verstorbene Dichter erweist sich in den "Erinnerungen" und "Abkürzungen" auch als unterhaltsamer Prosa-Autor.

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Der 1957 verstorbene Dichter erweist sich in den "Erinnerungen" und "Abkürzungen" auch als unterhaltsamer Prosa-Autor.

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Nun, da ich alt bin, würde ich gern in ruhiger Unschuld die wunderbare Welt malen." Mit diesen Worten führt uns Umberto Saba in seinen kleinen Buchladen in der Via San Nicolo in Triest.

1919 erstand er den Laden, der ihm anfangs als nicht mehr erschien als eine "dunkle Höhle". Doch von diesem Mikrokosmos aus führt uns der Dichter in seinen Erinnerungen durch ganz Italien. Bunt gemischt ist das Publikum in seinen Kurzgeschichten, Freunde und Verwandte spielen eine ebenso große Rolle wie Adelige oder berühmte Dichter wie Gabriele D'Annunzio oder der Graf Leopardi. Das Buch enthält einige Kurzgeschichten, einen Teil mit "Abkürzungen" und zuletzt "Kurze Geschichten", die nicht mehr und weniger als zu lang gewordene "Abkürzungen" sind.

Im ersten Teil, der mit "Erinnerungen - Geschichten" überschrieben wird, gibt Saba im Plauderton Anekdoten preis, die er selbst erlebt hat oder die ihm von Freunden erzählt wurden. Durch Briefe an seine Tochter, die ebenfalls in dem kleinen Band veröffentlicht sind, entwickelt der Leser eine Vertrautheit zum Autor, der es versteht, das italienische Lebensgefühl zu vermitteln.

Dem großen Dichter Gabriele D'Annunzio hat er eine der Kurzgeschichten gewidmet. Er erzählt darin, wie er als junger Mann und ebenso erfolgloser wie ungeübter Dichter das große Vorbild in seiner Villa in der Versilia kennenlernt. Und unverhohlen zaubert er ein Lächeln auf das Gesicht jedes Lesers, wenn er sich an den Dichter, den "makellosen weißen Herrn", ebenso erinnert wie an die köstliche Pasta mit Tomatensauce, die ihm dort gereicht wurde und von der sich später herausstellt, daß sie ein Fertigprodukt war. Das Zusammentreffen mit Giacomo Graf Leopardi hat einen ähnlich grotesken Ausgang, als der Graf kurz nach dem Dessert, offenbar durch eine Äußerung Sabas über eines seiner lyrischen Werke brüskiert, die Wohnung ohne ein Wort unerwartet verläßt und wie vom Erdboden verschluckt scheint.

Umberto Saba, 1883 in Triest geboren, veröffentlichte 1921 eine erste Sammlung seiner Lyrik, die erste Fassung des Canzoniere. Der italienische Dichter jüdischer Herkunft starb 1957, die Auswahl der Erinnerungen entstammt einem Band, den Linuccia Saba, die Tochter des Dichters, 1964 in Mailand herausgab.

Die Abkürzungen und Kurzen Geschichten entstanden 1945 in Rom und erschienen ein Jahr später erstmals in Buchform. Dieser Band beweist, daß sich Saba nicht nur auf das lyrische Handwerk verstand. Die Geschichten sind locker geschrieben, leicht zu lesen und amüsant. Die Lektüre ist empfehlenswert, freilich ohne allzuviel Tiefgang. Etwas verwunderlich ist allerdings die Zusammenstellung des Bandes.

Die Erinnerungen, Geschichten und Abkürzungen haben teilweise so etwas wie einen roten Faden, der zeitweise nur äußerst subtil in Erscheinung tritt. Einige der Erlebnisse, die in den Abkürzungen noch kurz umrissen werden, haben den Dichter offenbar zu einer längeren Geschichte inspiriert. Trotz dieser allerdings seltenen Gemeinsamkeiten ist es schwierig, so etwas wie eine Homogenität der verschiedenen Teile auszumachen.

Nach den heiteren Erinnerungen und Geschichten wirken die "Abkürzungen", die Gedanken des Dichters über Gott und die Welt, mit Gewalt auf den ersten Teil aufgepfropft. Die Verbindungen sind zu schwach, um die Teile standhaft zu integrieren. So ist es selbst für jemanden, der mit dem ein wenig unzugänglichen Teil der "Abkürzungen" etwas anfangen kann, schwierig, sie mit dem ersten Teil zu verknüpfen. Eine kompaktere Auswahl hätte dem Band nicht geschadet, wäre wünschenswert gewesen.

Das Buch beinhaltet aber nicht nur persönliche Erinnerungen Sabas, sondern auch einige Geschichten, die im jüdischen Viertel von Triest spielen. Am Beginn des Bandes enthalten sie typisches Lokalkolorit, das auch die übrigen Erinnerungen bestimmt. Die Protagonisten, ob nun fiktiv oder der Umgebung Sabas entnommen, tauchen auch in den anderen Teilen immer wieder auf, ähnlich alten Bekannten, die man zufällig auf der Straße, am Markt oder in einer Wirtschaft trifft und mit denen man über gemeinsame vergangene Erlebnisse lacht.

Die "Abkürzungen" kommentieren ebenso die Weltgeschichte wie den alten Mann am Nachbartisch der römischen Wirtschaft, in der Saba täglich sein Abendessen einnimmt. Wem sich dabei die Frage nach den Zusammenhängen aufdrängt, dem wird klar: Für Saba gehören wichtige geschichtliche Ereignisse genauso zum Leben wie die Probleme seines Angestellten Carletto im Antiquariat.

Genau diese Mischung verleiht dem Werk eine Offenheit und Liebenswürdigkeit, von der man sich immer wieder von neuem eingeladen fühlt, in die versunkene Welt dieses Autors einzutreten. Der Charme und Humor, den die Geschichten ausstrahlen, machen das Buch reizvoll, wobei Saba es versteht, niemals Überflüssiges zu erzählen, sondern stets beim Kern der Geschichte, der "Moral der Anekdote", zu bleiben.

Der Lyriker Umberto Saba fesselt also auch in seinen Erinnerungen und bleibt dabei seinem direkten, klaren Stil treu.

Der Dichter, der Hund und das Huhn Von Umberto Saba Paul Zsolnay Verlag, Wien 1999 165 Seiten, geb., öS 190,-/e 13,80

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