Der Mann ohne Vergangenheit

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David Greigs "Pyrenäen" im Grazer Schauspielhaus erstaufgeführt: ein ernüchterndes Versteckspiel in den Bergen.

Über weite Strecken meint man Zeuge in einer Kriminalgeschichte zu sein. Oder Opfer eines langen, fesselnden Traums, der natürlich einen allegorischen Charakter hat: Wir sind nur Pilger hier auf Erden. Der halbtote Mann (August Schmölzer) auf der Bühne, der im frischen Kunstschnee liegt, scheint uns von unterwegs bekannt zu sein. Er hat sein Gedächtnis verloren. Das einzige, was er bei sich trägt, als er am Weg nach Santiago de Compostela aufgefunden wird, ist ein Aktenkoffer voller Geld und eine Jakobsmuschel. Das ist grauenvoll, aber auch komisch.

Der schottische Vielschreiber David Greig hat mit seinem Stück "Pyrenäen" eine Stop-over-Geschichte geschrieben: Die alte Frage, was denn die Identität eines Menschen ausmacht, legte er dabei in die Hände einer Switcher-Generation, die sich gerne aus dem Weg geht. Man möchte viele Leben in vielen verschiedenen Welten ausprobieren. Das bringt Spannung und keine Höhepunkte.

Bei der deutschsprachigen Erstaufführung in Graz nahm sich Cornelia Crombholz (Regie) Greigs Figuren an. Mitunter wie etwas zu überbetreut verlieren sie ihre souveräne Fragilität und werden von einer peniblen Angespanntheit geplagt. Auch schiebt Crombholz dem Stück ein frömmelndes Ende unter. Martina Stilp leckt sich als britische Botschaftsangestellte auf der Suche nach der Identität des Mannes wund. Und kommt sich selber dabei immer mehr abhanden. Ähnliches widerfährt dem Hotelbesitzer (Jan Thümer), der offenbar auf Grund mangelnder Gäste mit Vorliebe unterschiedlichste Rollen einnimmt, die er mit hauchdünnen Emotionen anreichert. Auf den Mann ohne Gedächtnis macht das erstaunlicherweise wenig Eindruck. Tatsächlich vor den Kopf stößt ihn erst das Erscheinen einer Frau (Josefin Platt), die behauptet, seine Ehefrau zu sein. Dann stoppt das Versteckspiel, und der Namenlose liegt wieder im Schnee. Zurück zum Anfang?

Nicht wirklich, denn seine vermeintliche Ehefrau, der Gastgeber auf Zeit und die Geliebte für unterwegs wurden zu Engeln erhöht. Da knien sie nun vor ihm und haben sich an uns vorbeigeglaubt, dass wir Gefangene unseres Ichs bleiben, auch wenn die Vergangenheit wieder zugeschneit daliegt. Bleibt die Frage: Können diese Engel Switcher erlösen? Wohl kaum.

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