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Neben dem Namen "Europa" war bis ins 18. Jahrhundert "Japhetien" eine gängige Bezeichnung für diesen Kontinent. Im ersten Buch der Bibel, in Kapitel 9 der Genesis heißt es: "Die Söhne Noachs, die aus der Arche gekommen waren, sind Sem, Cham und Jafet ... Diese drei sind die Söhne Noachs; von ihnen stammen alle Völker der Erde ab." Ausgehend von dieser Bibelstelle entstand im Laufe mehrerer Jahrhunderte die Legende von Jafet als Stammvater der christlichen Völker in Europa. "Damit hatte das im Gesichtskreis der antiken Kulturvölker geschichtslose Europa nördlich der Alpen eine Geschichte, die genauso weit zurückreichte wie die Asiens mit Sem als Stammvater und die zum göttlichen Heilsplan gehörte", schreibt der Wiener Historiker Wolfgang Schmale in seiner "Geschichte Europas".

Europa war mehr sexy!

Warum sich letztlich Europa gegen Japhetien durchsetzte, hängt damit zusammen, dass es "natürlich reizvoller war", so Schmale, "Europa mit der weiblichen Gestalt der Königstochter Europa zu verbinden als mit der männlichen Gestalt des Jafet. Der Mythos der Europa steckte voll erotischer Anspielungen, die gerne erzählt und gemalt wurden, die positiv konnotiert wurden und waren."

Europa war die Tochter des Phönix oder des Königs Agenor von Phönikien; Zeus verliebte sich in sie, verwandelte sich in einen Stier, überredete sie am Strand seinen Rücken zu besteigen und entführte sie über das Meer nach Kreta; dort zeigte er sich ihr als Zeus und aus ihrer Liebe entstanden drei Söhne; später wurde Europa die Frau des kretischen Königs Asterios, der sein Reich an die drei Söhne Europas vermachte.

Kein Gründungsmythos

Schmale legt in seiner Betrachtung des Europamythos von der Antike bis ins 20. Jahrhundert großen Wert darauf, dass es sich dabei um "eine mythische Erzählung über Auserwähltheit, Glück und Fruchtbarkeit" und nicht um den "Gründungsmythos eines Kontinents" gehandelt hat. Insofern ist es für den Historiker erstaunlich, dass "im allgemeinen Rausch der Verfertigung von Gründungsmythen der für Europa zur Verfügung stehende Gründungsmythos' des Jafet sich nicht durchsetzen konnte, sondern die erotisierte Geschichte der Europa".

Im Mittelalter wurde Europa auch als menschliche Seele interpretiert und der Stier als Sohn Gottes, "der Fleisch wird, die Seele zu retten". Und in die Gegenwart reichen jene Interpretationen, in denen der Europamythos als Spiegelbild des sich ändernden Geschlechterverhältnissen dargestellt wird. WM

Nächste Woche:

Teil 4: Europa und Religionen.

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