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Gert Jonkes "Damals in Graz" in einer Neufassung am Grazer Schauspielhaus.

Regisseur Philip Tiedemann arbeitet gewagt im Gefrierbereich der Gefühle. Intendant Mathias Fontheim holte ihn im letzten Jahr seiner Amtszeit abermals nach Graz. Nun brachte er eine Neufassung von Gert Jonkes ursprünglich als Hörspiel verfassten Text "Damals vor Graz" zur Uraufführung. Aus einem Zustand des Gefroren-Seins heraus lässt er Jonkes in österreichischem Phantasiedialekt geschriebene Wortpartitur zur Welt kommen. Was heißt: Irgendwo im Nebel auf einer Ebene vor Graz verfangen sich zwei Pärchen (Sebastian Reiß, Ninja Reichert, Thomas Prazak, Katja Hirsch) in ihrer Befürchtung, alles existiere nur in ihrer "vurrstölung". Noch schlimmer: Es sollte auch nur in ihrer Vorstellung existieren. Die Begegnung im Zug, die ekstatische Liebesnacht im Schlafwagenabteil, das Versprechen, sich in Graz wieder zu sehen. Diese sprachliche Pattstellung gelingt durch das Auseinanderfallen und das Verziehen der Silben, die zu einem feinmaschigen Netz verwoben in unseren Sehnsuchtstiefen ausgelegt werden. Zudem erweiterte Tiedemann die Urfassung zum vielstimmigen Theaterabend, indem er aus Jonkes Werkkosmos weitere Texte einarbeitete. Etwa jenes lange Gedicht, das Jonke in seiner Rede zur Eröffnung des Ingeborg Bachmann-Literaturwettbewerbs 2003 einschob. Es beginnt mit mündigem Schmäh "Nicht jeder Tag trägt Lederhosen" und endet hoch politisch "Dieser Tag hat keine Volksabstimmung ausgerufen". Tröpfchenweise vom alten Mann (Otto David) in Eisenbahnerkleidung als Alter Ego des Dichters vorgetragen, dient es die Erinnerung an die Reise zum Liebesglück blank zu scheuern.

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