Der österreichische Faust

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Das Leben des Popstars Falco als grelles Kommerzspektakel im Wiener Ronacher.

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Das Leben des Popstars Falco als grelles Kommerzspektakel im Wiener Ronacher.

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Zu einem einzigen Popstar hat es Österreich gebracht: Falco, alias Hansi Hölzel. Seinen Künstlernamen lieh er vom DDR-Schispringer Falko Weißpflog. Wie er in den Himmel fliegen wollte, ob er wenigstens nach seinem Tod dort ist, läßt sich nicht nachweisen. Zu Lebzeiten war er dem Zenit des Pophimmel sehr nah: Als einziger Österreicher schaffte er in Amerika den Sprung an die Spitze der Charts: mit Hilfe eines anderen großen Musikersohnes der Republik, Mozart. "Rock me Amadeus" war Falcos größter Erfolg, an ihm ist er zerbrochen.

"Du mußt dein Leben in die Waagschale werfen, du fliegst oder du stürzt ab", sagt Andre Eisermann im Wiener Ronacher. Er ist Hansi Hölzel, der Mensch, der bereit ist, für den Ruhm alles zu geben, um jeden Preis. "Do you really want to create an alter ego?" fragt ein Riesencomputerbildschirm, Hansi Hölzel drückt "O.K.". Ein raumfüllendes Universum aus Sternen gebiert einen Kunstmenschen, die Bildschirme auf den Galerien geben ihn zigfach wieder: F@lco, computeranimiert. Der Pakt mit dem virtuellen Teufel ist geschlossen, die Handlung nimmt ihren Lauf.

Das Drama des Menschen, der zum Sklaven seines Golem wird, seine Seele und sein Blut dem Publikum verkauft, kommt in "F@lco - a cyber Show" zeitgeistig poppig daher. Garniert mit vielen Hits, Busen, lange Beine und Po zeigenden Groupies in Latex, Glitter und Leder. Dazu eine tolle Lasertechnik, die in grellen Farben schillernde Ebenen über das Publikum wirft. F@lco-Logo und Bühne zeigen deutlich: Hier will Manker die Theaterform erfinden, die mit dem Zeitalter des Klammeraffen ("@") kompatibel ist.

Für die billigen Plätze am Parkett, hautnah am Geschehen, empfiehlt sich steherprobtes Schuhwerk, das über zwei Stunden keine Druckstellen erzeugt. Dafür läßt sich die Brustbehaarung Eisermanns aus der Nähe betrachten, ein Bühnenwagen voll rappender Darsteller rollt durch die verhalten shakende Menge. Wer Glück hat, erwischt eine der Mozartkugeln, die ein von der Decke schwebender Amadeus aufs Parkett wirft.

Ein tanzendes Publikum hätte sich Paulus Manker für seine Mischung aus Musikal, Show, Clubbing und Rockkonzert gewünscht, dazu ist das Wiener Gemüt zu lasch oder der Platz im vollgedrängten Parkett zu eng. Die Bühne, ein riesenhafter Klammeraffe, wirkt von hier wie der Bug der Titanic, an dessen Spitze Hansi Hölzel seine Krisen durchlebt. Als er nach Amerika schifft, taucht der Luxuskreuzer märchenhaft wie bei Raimund in lasergesteuerten Wellen auf. "Die Titanic sinkt in Panik ganz alanig", erklingt dazu.

Mit vielen grellen, teils gelungenen, teils geisterbahnhaft überzeichneten Bildern hantelt sich Manker an der Biografie des Falken entlang. Allegorische Figuren, die mysteriöse Jeanny, der neidische Freund Citizen Kain, wunderbar verkörpert von Hansi Lang; Frauen, Alkohol und seine Mutter tauchen auf. Berührend Pehton Quirante als Demon Child, ein Mann mit weiblicher Stimme, der das Lied des Kindes singt, das geboren werden will. Ob es Falcos vermeintliche Tochter oder der kleine Falke selbst ist, kann man sich aussuchen. Die Geburtsszene danach ist absolut verzichtbar. Dafür bestechen die beiden Falco-Doubles als Hansi Hölzels verstorbene Drillingsbrüder. Gerald Sagmeister läßt fast an die Wiedergeburt glauben. Patricia Simpson als Demon Alcohol interpretiert "Jeanny" großartig, Milagros Pinera Ibaceta ist eine wunderbare Demon Death mit stark mütterlichen Zügen.

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