Der privatisierte öffentliche Raum

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Raum! Raum!", möchte ichschreien auf dem Weg durch die Wiener Innenstadt. Nicht wegen der vielen Menschen. Auch nicht wegen der Baustellen oder wegen des Verkehrs. Sondern wegen der sich breit machenden Eigeninteressen. Der öffentliche Raum wird immer mehr von Werbung, Schanigärten und parkenden Autos okkupiert. Fiaker werden Legion. Dachausbauten wachsen uns über den Kopf. "Ich" - "Ich" - "Ich", schreit es überall. "Ich bin auch da!" "Ich will auch beachtet werden!" "Ich brauche Platz!" "Ich will Dich für mich!" Die Wiener Innenstadt ist ein Bild für den Zustand unserer Gesellschaft. Das öffentliche Leben wird immer mehr von den Partikularinteressen einzelner Personen und Gruppen beherrscht. Die Medien kritisieren diesen Vorgang nicht, sie spiegeln ihn.

Auch die Kirche tut da mit. Und die Kunst sowieso. Jede für sich schreit: "Ich bin da!", "Kommt alle zu mir!" Die Kunst lockt gekonnt, spritzig jung oder seriös alt. Das Bemühte der Kirchenstimme wirkt weniger anziehend.

Doch beide sind schlecht beraten. Denn ihre Verantwortung ist es, Raum frei und offen zu halten. Für öffentlichen Raum zu sorgen. Die Sorge ums Eigene, Private aufzubrechen. Raus aus den Winkeln einer in die eigenen Bedürfnisse versponnenen Frömmigkeit. Raus aus dem Mief religiöser Binnenwelten. Raus aus dem Mief einer immer wieder nur auf sich verweisenden Kunstwelt.

Kunst und Kirche werden dort Zukunft haben, wo sie Raum für Öffentlichkeit freihalten. Raum, der nicht von Eigeninteressen dominiert wird. Wo die Stimme anderer Gehör findet. Die Stimme derer vor allem, die im öffentlichen Bewusstsein leicht in den Hintergrund gedrängt werden. Das fängt damit an, dass Kirchenräume offen gehalten und nicht versperrt werden. Und dass Museen sich mit größerer Aufmerksamkeit um jene bemühen, die am Rand der Gesellschaft leben.

* Der Autor ist Kunsthistoriker und Rektor der Jesuitenkirche in Wien

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