Zum 80. Geburtstag der Malerin Maria Schwarz: Ihr Œuvre ist ein verborgener Schatz. Es zeugt von einer intensiven Anteilnahme an der Zeitgeschichte und leidenschaftlichem Mitempfinden mit Mensch und Natur.
Die Enthüllungen unserer Tage sind weitgehend Entblößungen. Doch wo
nichts mehr verborgen ist, kann auch nichts mehr ans Licht kommen.
Gedanken über die Wahrheit - zum Fronleichnamstag.
In dunklen Zeiten hat es einmal geheißen: Gemeinnutz geht vor Eigennutz. Inzwischen ist es heller, viel heller geworden. Und nun wird die Losung ausgegeben: Eigennutz geht vor Gemeinnutz. Sicherlich wird sich jeder hüten, die Sache so zu benennen. Doch wer die Augen aufmacht, sieht, dass die Dinge in diese Richtung laufen. Den jeweils anderen werden echte oder vermeintliche Privilegien vorgeworfen. Das eigene Ich, die eigene Gruppe, die eigene Lebensform werden als besonders unterstützenswert dargestellt. Was dem Eigenen nützt, soll gelten.Das alles hat schon etwas für sich. Eine
Am vergangenen Sonntag war die Hochzeit von Kana dran. Diese Geschichte wurde als Evangelium während der Messfeier gelesen. Sie ist am Beginn des zweiten Kapitels des Johannesevangeliums zu finden. Der Wein ist ausgegangen, eine Katastrophe. Jesus verwandelt Wasser in Wein, sechshundert Liter. Der neue Wein ist besser als der zuvor getrunkene.Alles in allem eine Geschichte, an der ich als Weinliebhaber meine Freude habe. Freilich ist es nicht nur der Bericht von einer überraschenden Rettung der Hochzeitsfreude. Die Geschichte hat noch eine andere Bedeutung. Der neue und bessere Wein ist
Der Ungläubige tut gut daran, sich selbst gegenüber von Zeit zu Zeit Rechenschaft über seinen Unglauben abzulegen. Das gilt auch für den Glaubenden. Ich nutze daher diese Zeit der Jahresabrechnungen, der Berichte zum Stand der Finanzen und der sich erstaunlich auftürmenden Schuldenberge zu einer kleinen Inventur. Nicht um Kirchentreue oder Religionszugehörigkeit geht es dabei, also auch nicht um Kirchensteuer, sondern um die Begründung des Glaubens. Glauben nehme ich hier in der Bedeutung von Vertrauen, sich einem anderen anvertrauen.Eine Inventur soll nüchtern sein: Ich vertraue mich
Weihnachten rückt in bedrohliche Nähe. Der Wiener Graben wird eben wieder wie jedes Jahr in ein Boudoir verwandelt. Bald wird auch die Rotenturmstraße wieder als Rotlichtbezirk leuchten. Der Frivolität sind keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, das muntere Volk der Kauflustigen bei Laune zu halten. Aber ist es noch munter? Ist es nicht längst schon in einen Zustand von Unlust verfallen, von dem auch die immer aufwendiger werdenden Sensationen nur für kurze Zeit ablenken können? Verfaulen bei lebendigem Leib. Ruinen hinter sauberen Fassaden. Wie soll da die Ankunft eines Gottes in
Was mir an Gott so gut gefällt, ist, dass er nicht mit sich selbst beschäftigt ist. Nach dem christlichen Glauben ist Gott in sich Beziehung, das ist der Sinn von "Dreifaltigkeit“. Nichts trübt die Harmonie. Man ist sich völlig eins, kommt glänzend aus miteinander.Doch nein, Gott wird Mensch und tut sich ein irdisches Leben an mit allen Begleiterscheinungen bis hin zum Kreuz, wo er den Spott der Leute über sich ergehen lassen muss. Gott macht sich zum Gespött der Leute, weil es ihm nicht um sich selber geht.Die Christen können einiges von ihm lernen. Vor allem die Sorge um sich
In letzter Zeit machen sich in der Öffentlichkeit Stimmen hörbarer, die Religion im Allgemeinen und Kirche im Besonderen auf den Bereich des Privaten begrenzen wollen. Ich bin auch für eine Trennung von Staat und Religion. Ich halte es aber für wichtig, zwischen dem Bereich der Öffentlichkeit und dem der politischen Macht zu unterscheiden. Die Religion hat sich aus der Zone der politischen Macht herauszuhalten. Aber sie darf sich unter keinen Umständen aus der Öffentlichkeit zurückziehen und sich damit begnügen, im Privaten gepflegt zu werden.Das Christentum ist wesentlich eine
In seinem einzigartigen Werk spiegeln sich 3000 Jahre europäische Bildhauerkunst wider. Zum neunzigsten Geburtstag des Bildhauers Joannis Avramidis am 26. September.Schon vor zehn Jahren standen die Figuren wie Baumstämme oder Säulen dicht um das Ateliergebäude im Wiener Prater. Hier wohnt und arbeitet Joannis Avramidis gemeinsam mit seiner Frau, der Bildhauerin Annemarie Avramidis. Hier hat sich ein Lebenswerk gesammelt. Die Spuren des Schaffens sind durch Jahrzehnte zu verfolgen. Freilich ist auch vieles hinausgegangen, in bedeutenden Sammlungen und im öffentlichen Raum präsent. Doch
Naturwissenschaften und Mathematik kennen Formeln und Gesetze. Sie sind äußerst präzise Beschreibungen von Verhältnissen und ermöglichen Vorhersagen. Niemand wird das bestreiten. Alle verlassen sich darauf. Niemand wird das Betreten eines Flugzeugs mit der Begründung verweigern, auf die Gesetze der Aerodynamik sei ja doch kein Verlass.Auch im Geistigen gibt es Formeln und Gesetze. Sie geben präzise die Konsequenzen von Beachtung und Nicht-Beachtung an. Drei von ihnen will ich in Erinnerung rufen."Denn jeder bedenke, dass er in allen geistlichen Dingen soviel Nutzen haben wird, als er
Festspiele, Festivals, Festwochen - im Sommer hat die Kunst Hochkonjunktur. Warum das alles? Läuft es bloß ab? Für nicht wenige gehört ein Aufenthalt in Salzburg mit Besuch der Festspiele zum Bestandteil eines gepflegten Lebensstils.Wenn von den Ausgaben für Kunst die Rede ist, wird immer wieder auf die positiven wirtschaftlichen Konsequenzen von kulturellen Veranstaltungen hingewiesen. Dagegen gibt es nichts einzuwenden. Ein hinreichender Grund zum Musizieren ist das allerdings nicht.Das Klangforum Wien sei eine "Veranstaltung zur Verbesserung der Welt“, schreibt Sven Hartberger,
Ich bin in ein Krisenzeitalter hineingeraten. Alles ist heute in Krise. Zur Finanz- und Bankenkrise gesellen sich die Gottes-, Glaubens- und Kirchenkrise, zur Sinnkrise die Beziehungskrisen, zur Krise der Kunst jene der Kultur, der Umwelt, der Technik usw. Selbstverständlich bin auch ich selbst in Krise. Ich habe eine Menge Krisen. Sie kommen und gehen, aber sie verlassen mich nie ganz.Berufsbedingt sind meine Lieblinge Glaubens-, Gottes- und Kirchenkrise. Ich bin froh über diese Krisen. All jene, die durch ihr Verhalten zu verstehen geben, sie wären von Krisen gänzlich unberührt, all
Manchmal werde ich gefragt, woran künstlerische Qualität zu erkennen sei. Wie komme ich in den Zustand, Qualität zu erkennen? Ich muss viel sehen und viel vergleichen. Es ist eine permanente Übung, ein nie endendes Verfeinern der Aufmerksamkeit.Ist es also etwas, das mich zu einem Angehörigen einer ästhetischen Hochkultur werden lässt, dem Angehörigen eines Reiches, zu dem nur wenige Zugang haben? Im Vergleich zu diesen handverlesenen Hochverfeinerten wären die meisten anderen Menschen rohe Klötze, mit einer Sensibilität ausgestattet, die sie gerade alltagstauglich macht. Die
Mein Ostergedicht stammt von Ernst Jandl. Ich habe es in dem Band "Letzte Gedichte“ gefunden, erschienen ein Jahr nach dem Tod Jandls bei Luchterhand, 2001:als katholischer christ / beharre ich auf der / sinnlosigkeit des / menschlichen lebensWas hat das mit Ostern zu tun? Wie kann ein Katholik behaupten, das Leben sei sinnlos? Aber das Gedicht behauptet ja nicht. Es beharrt auf etwas. Es beharrt darauf, in diesem Leben einen bestimmten Ort einzunehmen. Es mutet mir zu, an diesem Ort auszuharren, zu verharren. Mich also nicht zufriedenzugeben mit den gängigen Sinnangeboten. Was hat es nicht
Kunstwerke verlangen Geduld. Was sie mit dem Glauben zu tun haben, zeigt sich mitunter erst nach langen Mühen. Das gilt auch fürs Kreuz in der Kunst.Kunst und Religion haben im 20. Jahrhundert und in der Gegenwart nur mehr sehr wenig miteinander zu tun. Diese Behauptung wird gerne wiederholt, ist aber falsch. Bei genauem Hinsehen zeigt sich etwas ganz anderes. In den letzten hundert Jahren ist vielfach ans Mittelalter angeknüpft worden. Weder im Barock noch in der Renaissance war die Verbindung zwischen Kunst und Religion so eng, wie seit dem frühen 20. Jahrhundert. Wolfgang Ullrich
Täglich lese ich drei Zeitungen, zwei inländische, eine ausländische. Das heißt, ich lese sie natürlich nicht ganz, sondern überfliege vieles. Es ist schon ein Ritual geworden. Wie jedes Ritual hat es auch etwas Unterhaltsames. Danach bin ich zwar wissender als zuvor, aber keineswegs klüger. Was ist nun zu tun angesichts all dessen? Steht mein alltägliches Tun in irgendeiner Verbindung mit all diesen Ereignissen? Während ich mich unterhalte, stecken die anderen im Ernst des Lebens. Aber eigentlich will ich da ja auch hin, zum Ernst des Lebens, dorthin, wo es wirklich um etwas geht.In
Seit mehr als einer Woche ist es eisig kalt in Wien. Die Straßen waren verschneit. Alles war weiß. Von Straßen und Gehsteigen ist der Schnee fast ganz verschwunden. Aber das Weiß ist geblieben. Gehsteige und Straßen sind weiß. Ich gehe auf Salz. Die innere Stadt hat sich in eine Salzwüste verwandelt. Die armen Hunde. Von den Pflanzen nicht zu reden. Arm sind auch alle die dran, die jetzt ein Gebäude sauber zu halten haben.Ein Kirchenrektor ist eine Mischung von Intendant und Hausmeister. Beides bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Auch für den Zustand des Gehsteigs vor der Kirche
Am 13. April 1873 notierte der englische Jesuit und Dichter Gerard Manley Hopkins in sein Tagebuch: "Der Eschenbaum in der Ecke des Gartens wurde gefällt. Er wurde zuerst gestutzt: ich hörte das Geräusch und indem ich hinausschaute und sah, wie er verstümmelt wurde, kam da in jenem Augenblick ein tiefer Stich und ich wünschte mir zu sterben und nicht mehr die Inbilder der Welt zerstört zu sehen“ (aus "Journal“, übersetzt von Peter Waterhouse, Salzburg und Wien 1994, S. 169).Es scheint ein wenig übertrieben, sich wegen eines gefällten Baums gleich in den Tod zu wünschen.
Der Mangel ist in Europa fast ausgestorben. Während der vergangenen Jahrzehnte ist er durch eine beispiellose Anstrengung aller Kräfte so erfolgreich bekämpft worden, dass er aus der Öffentlichkeit fast völlig verschwunden ist. Wohin der Blick heute geht, überall herrscht Überfluss.Kürzlich erzählte mir eine Bekannte von den Kindern ihrer Schwester. Sie sind noch im Kindergarten und besuchen daneben eine Reihe anderer Einrichtungen und Vereine: musikalische Früherziehung, Turnen, verschiedene Sportarten usw. Überall gab es Anfang Dezember Nikolofeiern. Noch vor dem 6. Dezember
Zahlen, immer nur Zahlen. Seit Langem schon sind die Medien voll von Zahlen. Es wird uns immer neu vorgerechnet, dass etwas im Aufstieg oder im Niedergang ist. Glaubwürdig wird darauf hingewiesen, dass es zum Mehr, zur Steigerung nur eine Alternative gibt: den Abstieg. Wenn die Wirtschaft nicht zunimmt, dann verfällt sie. Entweder mehr oder weniger. Dabei ist schon längst klar, dass es nicht immer aufwärts gehen kann. Auf der Welt kann nicht immer mehr konsumiert, mehr verbraucht, mehr produziert werden.Die öffentliche Meinung wird dahin gelenkt, das Streben nach Mehr fast ausschließlich
Nach der letzten Sonntagspredigt habe ich ein Mail bekommen: "Ich fand das toll, wie Sie das gemacht haben, u. a. weil ich zum ersten Mal in der Kirche den Gedanken hatte: Da ist jemand, der nur von Mensch zu Mensch redet. Das hat mir sehr gut getan, und gefallen hat mir auch, dass Sie den Besuchern ein Minimum an Wissen und Geist zugemutet haben. Eigentlich konnte ich gar nicht glauben, dass ich in einer katholischen Messe sitze …“Ich selber habe ja eher den Eindruck gehabt, ziemlich gepatzt zu haben. Zweimal das laute Tönen der Mobiltelefone, unruhige Kinder und direkt vor mir ein
Jetzt ist wieder die Zeit der Rosskastanien. Unter den Bäumen liegen die aufgeplatzten Früchte. Nur kurz bleibt die Frische der braunen Haut, die kühle Samtigkeit ihrer Oberfläche. Doch am schönsten sind die ganzen Früchte, wenn sich die hellgrüne stachelige Hülle ein bisschen öffnet und den Blick freigibt auf dunkle Geheimnisse im Inneren. Als würde der Baum in den Früchten seine Augen aufschlagen. Als würde er mich in den Früchten anschauen, wunderschön und still. Ein tiefer Blick aus braunen Augen. Nur für kurze Zeit. Bald schon sind die Schalen ausgedörrt, die Kastanien
In Salzburg habe ich die ersten 28 Jahre meines Lebens verbracht. Die zweiten anderswo. Die Stadt ist das geblieben, was sie immer war: wunderschön. Aus aller Welt kommen Besucher, um sich an dieser Schönheit zu erfreuen. Für die Bewohner der Stadt und die in ihr Tätigen ist dieser Ansturm mit Verantwortung verbunden, erscheint mir. Wie wird mit den Besuchern umgegangen? Sind sie willkommen und werden sie der Schönheit der Stadt entsprechend behandelt?Umgekehrt lässt sich aber auch fragen: Wie wird mit denen umgegangen, die sich um die Besucher bemühen? Immer wieder ist zu hören, die
Die vergangene Woche war ich auf dem Land. Dort gibt es viele Einfamilienhäuser. Wer immer es sich nur irgendwie leisten kann, baut offenbar sein Einfamilienhaus. Diese Häuser schauen alle ähnlich aus. Sie bilden die Großfamilie der Einfamilienhäuser.Auch in der Stadt werden Einfamilienhäuser gebaut. Da es aber zu teuer ist, Grund zu erwerben und ein wirkliches Haus hinzubauen, bringt der Wille zum Einfamilienhaus andere Gebilde hervor. Die Kunstwerke zum Beispiel. Sie entstehen fast ausschließlich aus dem Wunsch, eine eigene kleine Welt zu bauen. Die Künstler leben eng nebeneinander.
In meiner Kirche, der Jesuitenkirche in Wien 1, lassen sich die Anfänge einer virtuellen Welt bewundern. Andrea Pozzo hat hier vor 300 Jahren eine wunderbare Scheinarchitektur geschaffen. Doch reichen die Wurzeln eines Denkens in Modellen und künstlichen Welten viel weiter zurück. Mehr als 200 Jahre vor Andrea Pozzo war Paolo Uccello vom Zauber zentralperspektivischer Konstruktionen so sehr gefangen, dass er seine ihn im Bett erwartende Frau völlig vergaß. Der konkrete Mensch ist bei der Verwandlung der Welt ins Virtuelle immer zu kurz gekommen.Wenn ich durch die Wiener Innenstadt gehe
Die Milch kommt aus dem Tetrapak. Und davor? Die Milch kommt aus dem Kühlschrank. Und davor? Davor kommt sie aus dem Supermarkt. Und davor? Aus der Molkerei. Und davor? Aus dem Bauernhof. Und davor? Aus der Kuh. Wer kümmert sich um die Kuh? Wer gibt ihr Futter, und welches Futter? Wer sorgt sich um den Mist, den eine Kuh macht? Wer ist lieb zur Kuh?So ließe sich in allen Bereichen des Lebens, allen Gegenständen des Konsums gegenüber fragen. Der Strom kommt aus der Steckdose. Benzin kommt aus der Zapfsäule. Wasser kommt aus dem Wasserhahn. Der Wein kommt vom Weinhändler und das Gemüse
Nun ist wieder Mai. Alles blüht und grünt und gedeiht. Vor wenigen Tagen hat sich ein Musiker, der lange bei uns in der Jesuitenkirche gespielt hat, das Leben genommen. Heute erzählt mir ein Bekannter, dass ihn seine Frau nach zwanzig Jahren Ehe verlassen hat.Und dann blühen die Linden wieder und verzaubern mit ihrem süßsauren Duft die Wiener Ringstraße. Die schöne Wiederkehr des immer Gleichen bricht ab ins Nichts, und was kein Ende zu haben schien, ist plötzlich vorbei. Ich selber bin in diesen Tagen viel damit beschäftigt, von Auferstehung zu sprechen, berufsbedingt, als Priester.
Der Direktor eines bedeutenden Wiener Museums, ein Mann wie ein römischer Kaiser, erklärt seinen Rücktritt. Doch nicht orgiastische Feste erzwingen diesen Schritt, sondern Geburtstagsfeiern für seine Mutter. In einer anderen österreichischen Stadt wird dem Oberdirektor der dortigen Museen autokratischer Leitungsstil vorgeworfen. Der Kritisierte bestätigt unverzüglich durch die Tat die Aussage seines Kritikers und entlässt diesen. Auch der Entlassene ist ein bekannter Mann der Kunstszene. In der Politik sind Possen dieser Art bereits gang und gäbe. Nun profilieren sich auch die
Nun beginnt wieder die Fastenzeit. Es wird also wieder gefastet werden: weniger fernsehen, weniger Internet, weniger oder gar keinen Alkohol, einfaches Essen, ein bisschen freundlicher sein zu den Menschen usw. Es gibt auch das Suppenessen für den Preis eines Schnitzels, eine beliebte Methode, um Geld für Caritatives zu sammeln. All das hat einen gewissen Unterhaltungswert. Es bietet Gelegenheit, der staunenden Umwelt vorzuführen, wie sehr man Herr im Haus der eigenen Gelüste ist. Es ist eine harmlose Übung, um im Kreis Gleichgestellter und Gleichgesinnter ein paar entspannte Stunden zu
Eben lese ich "Lob der Meisterschaft“ von Tanizaki Jun’ichiro. Vor Jahren schon habe ich sein "Lob des Schattens“ gelesen. Mit großem Gewinn begegne ich dem japanischen Autor nun wieder. Was ist das Besondere? Mir scheint, es besteht in einer bestimmten Form des Sprechens. Sprechen, ja, denn aus diesen Büchern spricht mich jemand an. Es entsteht eine sehr ungewöhnliche Form von Vertrautheit. Keine Belehrung, keine intellektuelle Akrobatik, keine klugen Ratschläge oder kritischen Gedanken aus der Distanz des abseits Stehenden. Hier spricht jemand, der mich mit etwas vertraut machen
Alles überbietet sich heute darin, kritisch zu sein. Kritisch - das heißt heute nicht mehr: gute und schlechte Seiten benennen, gegenüberstellen, abwägen. Kritisch ist heute, wer ein Haar in der Suppe findet. Der Blick wird scheinbar immer schärfer, der Haarausfall in Politik, Wirtschaft und Kultur scheinbar immer katastrophaler. Aber ist es so? Hätten wir nicht alle in Europa und in Österreich erst recht Grund genug, dankbar zu sein?Im öffentlichen Leben haben die christlichen Kirchen heute ihren Einfluss weitgehend verloren. Im Feld des Sozialen macht sich das scheinbar noch am
Die dünne Schneedecke auf dem Pultdach der Akademie der Wissenschaften gleitet nicht wahrnehmbar langsam nach unten. Weit über den Dachrand hinaus bildet sie eine elegante Kurve. Verharrt, bricht. Ein Stück nach dem anderen fällt. Das Verhüllte kommt zum Vorschein, ein leeres Dach.Zehn Meter tiefer ist von Stille und langsamem Erscheinen nichts zu merken. Dort wird die weiße Decke, kaum dass sie liegt, durch Salz und Split in Schmutz verwandelt. Geschenkte Schönheit wird zerstört und durch künstliche ersetzt. Lichtgirlanden, Kugeln, Luster, schimmernde Schaufenster und bestrahlte
Berge von gefallenem Laub auf dem Weg, die kahlen Äste der eben noch dichten Baumkronen, ein strahlend blauer Himmel und ein Gedanke an die Schönheit des Endes. Es geht alles zu Ende im Herbst.Ich lese eine Erzählung von Josef Winkler, "Natura morta", die Geschichte vom Tod eines Jungen. Und mir kommt wieder der nicht zu vergessende Giuseppe Ungaretti in den Sinn, der Gedichtband "Il dolore", oder Marie Luise Kaschnitz und ihre Gedichte in "Dein Schweigen meine Stimme".In all dem ist vom Tod die Rede. Von einem Ende, das endgültig ist, ja endgültig. Doch da die Worte nach dem Tod
Am Freitag der vergangenen Woche ist Karl Prantl fast 87-jährig gestorben. Er war Steinbildhauer. Seine Kunst hat er den Steinen gewidmet. Durch sie war er in einem fortwährenden Gespräch nicht nur mit den Steinen, die ihm als etwas Lebendiges galten, sondern mit Menschen in aller Welt.#Kunst ist Hilfe# hat er einmal gesagt. Hilfe zur Erinnerung, Hilfe zur Begegnung, zur Versöhnung, zur tieferen Einsicht in das, was es bedeutet, heute zu leben. Karl Prantl lebte konzentriert gegenwärtig und hatte ein sehr waches Geschichtsbewusstsein. Durch seine Kunst hat er vielfältig dazu beigetragen,
Auf dem kleinen Dr.-Ignaz-Seipel-Platz im Zentrum von Wien sind zurzeit fünfzehn Parkverbotsschilder aufgestellt. Drei sind permanent, um Behindertenparkplätze frei zu halten, alle anderen sind in Verbindung mit Veranstaltungen in einem der benachbarten Gebäude aufgestellt worden. Sinnbild für einen von den Interessen mehr oder weniger großer Gruppen zerfressenen öffentlichen Raum.Auch die Sprache ist als ein solches Sinnbild zu verstehen. Der öffentliche Diskurs wird beherrscht von Partikularinteressen. Politiker betreiben Interessenvertretung. Die Wirtschaft betreibt
Die Haltbarkeit einer Beziehung hängt vom Erinnerungsvermögen ab. Oder wenigstens vom Wunsch nach Erinnerung. Wenn mir zur Kirche nichts mehr einfällt außer die Miseren der jüngsten Vergangenheit, dann trete ich aus.Um zu bestehen, muss ich mich daran erinnern können, dass mit Kirche etwas Großes gemeint ist, etwas, das zu all den Skandalen in einem krassen Gegensatz steht. Und das gegen alle Widerstände gelebt wurde und auch heute gelebt wird.Wenn ich aber von all dem keine Ahnung habe, dann genügt die Vergesslichkeit eines Pfarrers. Er übersieht einen Trauungstermin, die
Es gibt Dinge, die nicht gern zur Sprache gebracht werden. In der Kirche ist das eine ganze Menge. Zum Beispiel das Begehren. Das Begehren hat keinen guten Ruf. Es ist verdächtig. „Wer Gott schauen will, der muss hohen Begehrens sein!“, hat Meister Eckhart gesagt. Doch heute ist das Denken oft klein geworden und verschrumpelt. Es hat seine Größe verloren. Wie gelingt es, heftig zu begehren und sich nicht in kleinkarierten Wünschen und Begierden zu verhaspeln?Eine Möglichkeit bietet sich im Umgang mit Kunst. Ich muss ein Kunstwerk nicht besitzen, ich muss es nicht für mich haben
Wenn nachts die Türen fest verschlossen sind, im Haus das Licht hell leuchtet und alle um den Tisch versammelt sitzen – wer geht dann gern zur Tür, öffnet und tritt über die Schwelle ins Ungewisse? Wer geht schon gerne an den Rand, wo kein fester Halt zu finden ist, der Boden unter den Füßen wegbröckelt, die starke Hand der Macht ins Leere greift?Wirtschaft, Politik, Kultur, Religion: Häuser, deren Türen verschlossen sind. Die Bewohner sitzen im hellen Inneren versammelt. Sie hätten gerne ihre Ruhe. Aber immer öfter wird an die Tür geklopft, wird an der Tür gerüttelt. Manchmal
„Manche Menschen lassen nichts anderes zurück als schmutzige Fußabstreifer und volle Latrinen.“ Diese Notiz von Leonardo da Vinci fällt mir immer wieder ein. Wenn ich vor der Jesuitenkirche leere Flaschen, Zigarettenstummel und anderes beseitige, wenn ich den Donaukanal entlanggehe, wenn ich am Abend eines schönen Tages durch den Burggarten komme. Sie fällt mir auch ein, wenn ich von der Katastrophe im Golf von Mexiko lese. Ich frage mich: Was wird bleiben von unserer Gesellschaft außer Berge von Müll und Schmutz? Das gilt nicht nur für den Bereich des Materiellen, sondern auch
Wer vor einem Jahr durch die Wiener Kärntner Straße gegangen ist, konnte im Boden die Namen großer Musiker lesen. Heute sind stattdessen Rillen zu sehen, Hilfen für Blinde. Rampen an vielen Gebäuden und Lifte zeigen, dass körperlich Behinderte wahrgenommen werden.In den Sechzigerjahren waren geistig Behinderte im öffentlichen Leben nicht zu finden. Heute gibt es sie. In den Museen alter Kunst sind Kunstwerke von Frauen eine sehr seltene Ausnahme. Die Museen zeitgenössischer Kunst sind ohne die Kunst von Frauen gar nicht mehr vorstellbar.Vor vierzig Jahren hatten als Kinder missbrauchte
Apostelgeschichte 2010 ist ein groß angelegtes Projekt der katholischen Kirche in der Erzdiözese Wien, den Gedanken der Mission neu zu beleben. Mission im Sinn von Weitergabe des Glaubens. Es sollte doch etwas ausstrahlen von diesen Katholiken, ein Feuer, das andere Feuer entzündet. Groß in die Medien kommt die Kirche fast ausnahmslos mit ihren negativen Seiten. Das Geglückte scheint nicht der Erwähnung wert.Es wird also in nächster Zeit viel von Mission die Rede sein. Nicht in den Medien, das ist nicht anzunehmen, aber umso mehr im kirchlichen Umfeld. Hier wird man sich darauf
Hier will jemand hoch hinaus. Ganz hoch. Auf dem Umschlag für die Stimmkarte der Wiener Volksbefragung steht Priority Airmail. Die Fragen werden so eingeleitet, dass sie praktisch nicht falsch zu beantworten sind. Doch schon die erste Frage macht mich stutzig. Hier geht es offenbar um Artenschutz. Der Hausmeister, eine vom Aussterben bedrohte Gattung, soll gerettet werden. Gefragt wird: „Sind Sie dafür, dass in Wien die Möglichkeit geschaffen wird, neue Hausbesorger/innen (mit modernem Berufsbild) einzustellen?“Ich bin fürs Neue. Aber nicht beim Hausmeister. Mit modernem Berufsbild?
Kürzlich war ich wieder einmal im Wiener Dommuseum. Dort ist eine schöne kleine Ausstellung zu sehen: „Maria lactans – Die Stillende in der Kunst“ (s. FURCHE Nr. 52/53, S. 20; Anm.). Da beim Stillen unweigerlich auch ein Busen gezeigt wird, hat man die Ausstellung bereits einmal verschoben. Nun aber ist sie zu sehen. Sie zeigt, wie gut es die Kirche früher verstanden hat, auch sehr intime Bereiche des menschlichen Lebens aus dem Glauben zu gestalten. Mit dieser Kultur prägenden Kraft ist es heute vorbei.Das kulturelle Engagement der Erzdiözese Wien ist auf einem beschämend
Wie wunderbar, beim Augenarzt zu sitzen und zu warten. Im Warteraum zu sitzen, gemeinsam mit all den anderen, und zu warten, bis dein Name gerufen wird. Alle warten gleich, und alle werden beim Namen gerufen. Wer gerufen wird, steht auf und folgt dem Ruf.Wie wunderbar, ins Museum zu gehen und vor einem Bild zu stehen. Zu stehen und zu warten, bis das Bild zu dir kommt. Es wird dir gegenwärtig, spricht dich an. Und dann zu gehen.Wie wunderbar, still zu sein und nur zu warten. Zu warten und zu ruhen. Solange zu ruhen, bis in der nebligen Landschaft der Wünsche und Vorstellungen sich die zarte
Die Kraft, eine Kultur zu schaffen, die den Menschen auch unserer Zeit ganz nahe an die Grenze zum Wunder und zum Geheimnis führt, scheint der Kirche im heutigen Europa abhanden gekommen zu sein. In Wien ist gerade die erste von drei großen Diözesanversammlungen zu Ende gegangen. 1200 Delegierte waren im Stephansdom versammelt. An die Öffentlichkeit ist das kaum gedrungen. Es scheint die Sprache zu fehlen, um einer der Kirche gegenüber distanzierten Öffentlichkeit etwas vom Zauber des Glaubens schmackhaft zu machen.Vor Kurzem hatte ich Gelegenheit, einen neuen Film der österreichischen
Vor ein paar Tagen bin ich über Nacht von Wien nach Bregenz und über Nacht wieder zurück. Dazwischen habe ich eine Ausstellung von Antony Gormley angeschaut. Ein bisserl verrückt, denken Sie vielleicht, aber: ich bin Priester. Ohne eine gewisse Verrücktheit ist dieser Beruf heutzutage überhaupt nicht auszuüben. Wie gesagt, ich habe mir dort in Bregenz eine Ausstellung angeschaut. Antony Gormley ist Bildhauer. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht die menschliche Figur. Dabei formt er keine menschlichen Gestalten. Er baut vielmehr Hüllen und Hülsen. Die Gestalten sind wie Schalen um
Auf dem Land herrscht ein subtiler Stumpfsinn, und in der Stadt ist es auch nicht besser. Dem Geist wird der Hafer hoch gehängt. Und wenn er losgebunden wird, dann nur, um vor den Karren der Geschäftemacher gespannt zu werden. Sich frei bewegen, laufen, springen kann er selten. Es gibt zu viel zu tun. Der Geist muss nützlich sein.Kirche und Museen sind Freiräume des Geistes. Die „shops“ genannten Buden und Standln umlagern sie, ohne einzudringen. Kirche und Museen bieten die Möglichkeit, auf andere und bessere Gedanken zu kommen. Vor allem auf eigene Gedanken.Linz ist heuer das ganze
Ich bin Rektor der Jesuitenkirche Wien 1, was sich als eine Mischung von Hausmeister und Intendant beschreiben lässt. Im Hochaltar meiner Kirche findet die Himmelfahrt Mariens statt. Gemalt natürlich, aber besonders in der direkten Beleuchtung durch das Sonnenlicht am Vormittag von erstaunlicher Lebendigkeit. Über staunenden Männern die robuste Gestalt der Frau. Sie blüht auf, schwerelos schwebend. Eine gute Figur. Wo bekommt man so was noch zu sehen, dieses Schweben ganz ohne Hilfsmittel, wie von der Schwerkraft befreit? Aber wen interessiert das heute noch, eine himmelfahrende Maria?
Täglich lese ich in drei Zeitungen, zwei österreichischen, einer schweizerischen. Die Berichte über Österreich sind in der schweizerischen meist spannender. Mir fällt aber auf, dass ich immer weniger Berichte über österreichische Innenpolitik lese. Gerade noch die Zusammenfassung am Beginn. Geschrieben wird ja genug. Liegt es an den Verfassern der Texte, dass das alles so langweilig ist? Oder an denen, über die berichtet wird? Wie auch immer, beiden gelingt es, mich ans Ufer des Mittelmäßigkeitsmeeres zu versetzen.Nach einem Besuch im Kloster der Armenier auf San Lazzaro in der
Es ist Abend, und die Amseln rufen laut. Aus großer Höhe sausen sie herab und landen sicher im Gestrüpp oder auf einem winzig kleinen Ast keine zwei Meter von mir entfernt. Das Wunder geschieht vor mir. Wir leben am Rand zum Wunder. Wer sieht das? Wystan Hugh Auden hat ein Gedicht "Mondlandung" geschrieben. Doch nicht in der Landung sieht er das Wunder. Es ist anderswo zu entdecken. In der letzten Strophe heißt es:"Unsere Apparatschiks machen weiter mit dem üblen / üblichen Geschäft, genannt Geschichte: / Wofür wir nur noch beten können: dass auch künftig Künstler, / Heilige und
Raum! Raum!", möchte ichschreien auf dem Weg durch die Wiener Innenstadt. Nicht wegen der vielen Menschen. Auch nicht wegen der Baustellen oder wegen des Verkehrs. Sondern wegen der sich breit machenden Eigeninteressen. Der öffentliche Raum wird immer mehr von Werbung, Schanigärten und parkenden Autos okkupiert. Fiaker werden Legion. Dachausbauten wachsen uns über den Kopf. "Ich" - "Ich" - "Ich", schreit es überall. "Ich bin auch da!" "Ich will auch beachtet werden!" "Ich brauche Platz!" "Ich will Dich für mich!" Die Wiener Innenstadt ist ein Bild für den Zustand unserer Gesellschaft.
Die Institution Kirche spielt als Machtfaktor im Staat heute keine Rolle mehr. Die Kunst spielt in Museen und Ausstellungen die Rolle eines unverbindlichen Unterhalters. In der Öffentlichkeit wird keine von beiden wirklich ernst genommen. Das sehr niedrige Niveau aktueller Kirchenkritik geht Hand in Hand mit dem niedrigen Niveau der aktuellen Kunstkritik in österreichischen Medien.Kirche und moderne Kunst sind lange als Gegner betrachtet worden. Seit dem 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart gelten sie als zwei Bereiche, die sich einander entfremdet haben und nur zu seltenen Anlässen
Der Steinbildhauer Karl Prantl erhält am 25. November den mit 30.000 Euro dotierten Großen Österreichischen Staatspreis, die höchste Kunstauszeichnung der Republik. Bereits am 5. November feierte der Künstler seinen 85. Geburtstag. Doppelter Anlass für die Würdigung eines leisen Unbequemen.Wer dem Wiener Konzerthaus gegenüber an der Wand des Akademischen Gymnasiums entlanggeht, wird auf drei quadratische Granitplatten stoßen. Sie sind in den Gehsteig eingefügt und stammen von der „Großen Straße“ des Reichsparteitaggeländes in Nürnberg. Wunderschöner Granit. Bearbeitet von
Kunst und Ästhetik der Gegenwart im "heiligen" Raum des Barock: Ein radikales Projekt in der Wiener Jesuitenkirche.Meistens wird im Raum von Ästhetik und Liturgie angenehme Zimmertemperatur bevorzugt. Nur nichts Ungewöhnliches. Nur kein Risiko. Nur nicht die Finger verbrennen. Einem alten Leitbild, dem brennenden Herzen, folgend, haben wir uns in der Wiener Jesuitenkirche weiter vorgewagt.Nachdem im Rahmen des Projekts "POSITION: GEGENWART" schon eine Reihe bedeutender Künstler mit jeweils einem Werk in der Kirche präsent war, sollten diesmal Manfred Erjautz und Michael Kienzer den
Zum 80. Geburtstag des Bildhauers Joannis Avramidis.In der Wiener Krieau sind von einer Weltausstellung einige Gebäude übriggeblieben. Eines davon bewohnen Joannis und Annemarie Avramidis. Im Erdgeschoss das Atelier, darüber die Wohnräume. Überall Figuren. Ein Wald von Figuren. Wie stumme Wächter stehen sie um das Haus. Zwischen ihnen die mächtigen Stämme alter Pappeln.Joannis Avramidis ist 1943 nach Wien gekommen. Nicht freiwillig. Mit anderen jungen Griechen wurde er aus Athen abtransportiert und in Wien ausgeladen. Er hatte in einem Eisenbahnwerk in Simmering zu arbeiten.