So zu scheitern ist wunderbar

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Auf dem Land herrscht ein subtiler Stumpfsinn, und in der Stadt ist es auch nicht besser. Dem Geist wird der Hafer hoch gehängt. Und wenn er losgebunden wird, dann nur, um vor den Karren der Geschäftemacher gespannt zu werden. Sich frei bewegen, laufen, springen kann er selten. Es gibt zu viel zu tun. Der Geist muss nützlich sein.

Kirche und Museen sind Freiräume des Geistes. Die „shops“ genannten Buden und Standln umlagern sie, ohne einzudringen. Kirche und Museen bieten die Möglichkeit, auf andere und bessere Gedanken zu kommen. Vor allem auf eigene Gedanken.

Linz ist heuer das ganze Jahr Kulturhauptstadt. Die Ursulinenkirche liegt an der Landstraße. Sie ist offen. Wer sie im Juli und August betreten hat, konnte auf im weiten Raum der Kirche verteilten großen Bildschirmen Videos sehen. Das waren stille Streifzüge durch den Raum, langsame Kamerafahrten. Und plötzlich tauchten Tiere auf, Tiere in der Kirche. „Das menschliche und das tierische Wesen“ – eine wunderbare Installation von Nicole Six und Paul Petritsch.

Im Lentos Kunstmuseum ist bis Anfang Jänner 2010 eine jener seltenen Ausstellungen zu sehen, die nicht längst Bekanntes noch einmal aufkochen, sondern überraschende und neue Aussichten eröffnen. „See this sound“ stellt die Beziehung zwischen Bild und Ton in der Kunst dar. Was hier zu sehen ist, ist vor allem auch zu hören. Künstlerinnen und Künstler sprengen im 20. Jahrhundert den gewohnten Rahmen des Museums, sie erschließen neue Bereiche. Das lässt die Ausstellung auch scheitern, da die Töne sich gegenseitig überlagern. Aber so zu scheitern, ist wunderbar.

Am eigenen Mut gescheitert ist die Ursulinenkirche. Der Großteil des Kirchenraumes war unzugänglich. Aber auch hier: So zu scheitern, ist wunderbar.

Die Freiheit des Geistes zeigt sich mehr im Scheitern als im Erfolg.

* Der Autor ist Kunsthistoriker und Rektor der Jesuitenkirche in Wien

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