Das Leben nach der Langeweile

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Nach der letzten Sonntagspredigt habe ich ein Mail bekommen: "Ich fand das toll, wie Sie das gemacht haben, u. a. weil ich zum ersten Mal in der Kirche den Gedanken hatte: Da ist jemand, der nur von Mensch zu Mensch redet. Das hat mir sehr gut getan, und gefallen hat mir auch, dass Sie den Besuchern ein Minimum an Wissen und Geist zugemutet haben. Eigentlich konnte ich gar nicht glauben, dass ich in einer katholischen Messe sitze …“

Ich selber habe ja eher den Eindruck gehabt, ziemlich gepatzt zu haben. Zweimal das laute Tönen der Mobiltelefone, unruhige Kinder und direkt vor mir ein sichtlich gelangweilter Jugendlicher. Aber mit dem habe ich während der Predigt zu reden begonnen. Dass einem bei einer Messe langweilig wird, kann ich gut verstehen. Wenn ich aber selber der Priester bin, versuche ich das zu vermeiden. Es gibt doch auch ein Leben nach der Langeweile. Ich will das jetzt schon leben.

Apropos Langeweile: Mich langweilt die Art und Weise, wie Wirtschaftsthemen zur Zeit das Gespräch und die Medien beherrschen. Selbstverständlich mache auch ich mir Sorgen. Vieles deutet darauf hin, dass wir auf Schlimmes zugehen. Wie die nahe Zukunft aussieht, weiß offenbar niemand. Aber ist eine wirtschaftliche Katastrophe wirklich das Ende vom Lied? Es gibt ein Leben nach einer solchen Katastrophe. Es wird von vielen jetzt schon gelebt. Von Künstlerinnen und Künstlern lerne ich das. Nicht nur in Island, auch hier in Österreich. Die christlichen Kirchen hätten ebenfalls gute Chancen. Da wird ja ständig von einem Leben nach dem Tod geredet. Ich muss doch nicht warten, bis ich unter der Erde bin. Ich kann mit diesem Leben jetzt schon beginnen. Es gibt ein Leben nach der Langeweile. Es gibt ein Leben nach der Katastrophe, nach dem Tod. Es wird jetzt schon gelebt, von Künstlern, in Kirchen, vielleicht sogar in Banken.

* Der Autor ist Rektor der Jesuitenkirche in Wien |

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