Himmelfahrt und heutiger Glaube

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Ich bin Rektor der Jesuitenkirche Wien 1, was sich als eine Mischung von Hausmeister und Intendant beschreiben lässt. Im Hochaltar meiner Kirche findet die Himmelfahrt Mariens statt. Gemalt natürlich, aber besonders in der direkten Beleuchtung durch das Sonnenlicht am Vormittag von erstaunlicher Lebendigkeit. Über staunenden Männern die robuste Gestalt der Frau. Sie blüht auf, schwerelos schwebend. Eine gute Figur. Wo bekommt man so was noch zu sehen, dieses Schweben ganz ohne Hilfsmittel, wie von der Schwerkraft befreit? Aber wen interessiert das heute noch, eine himmelfahrende Maria? Heute werden die Gemüter vom Klimawandel bewegt.

Christliche Themen sind in der Kunst rar geworden. Das scheint gut zur aktuellen europäischen Wertestudie zu passen. Sie zeigt, dass immer weniger Menschen sich als „religiös“ bezeichnen. Die Christen werden immer weniger. Der Glaube schwindet rasant. Verständlich, dass sich niemand für die Himmelfahrt der Gottesmutter interessiert.

Aber: Ist diese Sichtweise richtig? Ich bin überzeugt, dass sie verkehrt ist. Dass die Gegebenheiten falsch gedeutet werden. Die Blickrichtung hat sich nämlich geändert. Wir schauen nicht nach oben, sondern auf die Welt. Und Glaube nimmt neue Gestalten an, unerhört und ungeschaut neue.

Vincent van Gogh wollte ursprünglich als Prediger unter den armen Bergleuten des Borinage Jesus nachfolgen. Er scheiterte und wurde Maler. Christliche Themen hat er kaum je gemalt. Aber die ganze Kraft seines Glaubens in das Bild einer Blume, einer Landschaft, einer Person verwandelt. Es gibt heute Menschen genug, die nicht von der Kirche oder von Gott reden. Die aber mit ihrem Einsatz für andere, für Menschen und Tiere, für eine gefährdete Welt, einen glühenden Glauben bezeugen. Viele lassen sich von der Not anderer bewegen. Wegen einer Himmelfahrt werden sie aber nicht mehr zusammenlaufen.

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