Von Parkverboten und vom Scheitern

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Auf dem kleinen Dr.-Ignaz-Seipel-Platz im Zentrum von Wien sind zurzeit fünfzehn Parkverbotsschilder aufgestellt. Drei sind permanent, um Behindertenparkplätze frei zu halten, alle anderen sind in Verbindung mit Veranstaltungen in einem der benachbarten Gebäude aufgestellt worden. Sinnbild für einen von den Interessen mehr oder weniger großer Gruppen zerfressenen öffentlichen Raum.

Auch die Sprache ist als ein solches Sinnbild zu verstehen. Der öffentliche Diskurs wird beherrscht von Partikularinteressen. Politiker betreiben Interessenvertretung. Die Wirtschaft betreibt Interessenvertretung. Die Kultur betreibt Interessenvertretung. Und auch die Kirche. Sie alle stellen ihre Parkverbotsschilder auf. Die Privatsphäre vieler Menschen wird von persönlichen Interessen beherrscht.

Ohne Inhalte, die über die Eigeninteressen hinaus wahrgenommen und gepflegt werden, geht eine Gesellschaft zugrunde. Bei den Rotariern gibt es die #Vier-Fragen-Probe#: Ist es wahr? Ist es fair für alle Beteiligten? Wird es Freundschaft und guten Willen fördern? Wird es dem Wohl aller Beteiligten dienen? Diese Fragen sollen bei Entscheidungen stets berücksichtigt werden. Doch auch sie führen oft nicht über die Grenzen einer Gruppe hinaus.

Schafft das die Kunst? Möglich wäre es. Es muss aber viel radikaler von ihr eingefordert werden. Und die Kirche? Sie erlebt zurzeit das Scheitern an den eigenen hohen Ansprüchen. Doch das ist ihre große Chance. Wenn sie sich jetzt in der Wahrung von Eigeninteressen verliert, die Bastionen ihrer zerbröckelnden Macht halten will, dann wird diese Chance verspielt.

Die Chance besteht darin, am eigenen Leib das Risiko einzugehen, sich radikal auf das zu verlassen, was in der Kirche #Gnade# genannt wird.

* Der Autor ist Kunsthistoriker und Rektor der Jesuitenkirche in Wien

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