Die Institution Kirche spielt als Machtfaktor im Staat heute keine Rolle mehr. Die Kunst spielt in Museen und Ausstellungen die Rolle eines unverbindlichen Unterhalters. In der Öffentlichkeit wird keine von beiden wirklich ernst genommen. Das sehr niedrige Niveau aktueller Kirchenkritik geht Hand in Hand mit dem niedrigen Niveau der aktuellen Kunstkritik in österreichischen Medien.
Kirche und moderne Kunst sind lange als Gegner betrachtet worden. Seit dem 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart gelten sie als zwei Bereiche, die sich einander entfremdet haben und nur zu seltenen Anlässen zusammentreffen. Diese Sichtweise hat sich so sehr eingebürgert, dass sie kaum in Frage gestellt wird.
Die Gegner von einst scheinen aber viel mehr aufeinander angewiesen, als bisher angenommen wurde. Jetzt, wo beide nicht mehr recht ernst genommen werden, können sie Bedeutsamkeit und Gewicht voneinander empfangen. Glückliche Gegner.
Die Kunstwerke schenken dem Glaubenden die Beziehung zur sinnlich erfahrbaren Welt, zu ihren Schönheiten und Abgründen. Der Glaube lässt das Kunstwerk als Ort einer Verwandlung von Welt wahrnehmen, als verbindliche Gestalt des Neubeginns. Alles das vollzieht sich in den verborgenen Zonen persönlicher Hingabe. Mit freundlich bemühten Versuchen, Kirche und Kunst miteinander zu verbinden, hat das nichts zu tun.
In dieser persönlichen Hingabe liegt die Hoffnung der Kirche und der Kunst. Hingabe, deren Konsequenz Verbindlichkeit ist. Hingabe des Glaubenden, der sich vom Kunstwerk zur Wahrnehmung der Welt öffnen lässt. Hingabe des Betrachters eines Kunstwerks, der eine Ahnung von dem bekommt, was im Gebet der Kirche von Christus gesagt wird: "… er hat den Tod überwunden und das Leben neu geschaffen." - Kunst und Kirche. Glückliche Gegner am Beginn von etwas Neuem.
* Der Autor ist Kunsthistoriker und Rektor der Jesuitenkirche in Wien
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