Nun ist wieder Mai. Alles blüht und grünt und gedeiht. Vor wenigen Tagen hat sich ein Musiker, der lange bei uns in der Jesuitenkirche gespielt hat, das Leben genommen. Heute erzählt mir ein Bekannter, dass ihn seine Frau nach zwanzig Jahren Ehe verlassen hat.
Und dann blühen die Linden wieder und verzaubern mit ihrem süßsauren Duft die Wiener Ringstraße. Die schöne Wiederkehr des immer Gleichen bricht ab ins Nichts, und was kein Ende zu haben schien, ist plötzlich vorbei. Ich selber bin in diesen Tagen viel damit beschäftigt, von Auferstehung zu sprechen, berufsbedingt, als Priester. Auch das kehrt wieder, Jahr für Jahr.
Es wird schon irgendwie weiter gehen, glauben die Menschen. Mit der Wirtschaft, mit dem Wohlstand, mit der Sicherheit, mit dem Leben. Die Menschen leben weiter in der Wiederkehr des immer Gleichen. Doch für den Einzelnen kann es plötzlich vorbei sein. Wer den Tod oder den Weggang eines Menschen erleidet, kommt an ein Ende. Gibt es dort, wo alles vorbei ist, noch etwas zu entdecken? Zuerst ist alles aus. Und dann?
Es heißt, ein Christ habe den Tod hinter sich und die Liebe vor sich. Das klingt sehr schön, setzt aber voraus, dass die Liebe aus dem Nichts erstehen kann, etwas völlig Neues, noch nie da Gewesenes. Keine Wiederholung. Keine Wiederkehr des immer Gleichen.
Gibt es das? Die Musik nach dem Ende? Sie müsste dann anders sein. Beziehungen müssten anders gelebt werden, Kunstwerke anders aussehen und Priester anders sprechen. In jeder Begegnung müsste das Staunen darüber mitschwingen, dass der Andere da ist. Die Blumen, die Bäume, alles immer neu. Die Liebe schafft alles neu. Die Frage ist bloß, ob der Einzelne den Mut hat, sie von jenseits des Endes zu erwarten. Vielleicht im Mai.
* Der Autor ist Kunsthistoriker und Rektor der Jesuitenkirche in Wien
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