Religion kann nicht Privatsache sein

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In letzter Zeit machen sich in der Öffentlichkeit Stimmen hörbarer, die Religion im Allgemeinen und Kirche im Besonderen auf den Bereich des Privaten begrenzen wollen. Ich bin auch für eine Trennung von Staat und Religion. Ich halte es aber für wichtig, zwischen dem Bereich der Öffentlichkeit und dem der politischen Macht zu unterscheiden. Die Religion hat sich aus der Zone der politischen Macht herauszuhalten. Aber sie darf sich unter keinen Umständen aus der Öffentlichkeit zurückziehen und sich damit begnügen, im Privaten gepflegt zu werden.

Das Christentum ist wesentlich eine Religion, die sich im Öffentlichen darstellt. Das Private allein ist zu wenig. Ähnliches gilt auch für das Judentum und den Islam. Wer also einen Rückzug der Religion ins Private fordert, hat keine Ahnung vom Anspruch einer Religion. Oder er will einen Bereich der Wirklichkeit aus der Öffentlichkeit entfernen. Wer Religion ins Private verdrängen will, sollte damit rechnen, dass sie dort eine völlig unkontrollierbare Macht entfaltet. Viel besser ist es, der Dynamik der Religion selber zu entsprechen, ihre öffentliche Darstellung zuzulassen und auch staatlich zu unterstützen. Dann nämlich bleibt Religion im Wahrnehmungsbereich des Staates und kann zum Gelingen des Staates beitragen. Zugleich kann ein solcher Beitrag von ihr auch eingefordert werden.

Mir scheint es auch völlig unbegreiflich, wie von Eltern erwartet werden kann, dass sie das, was ihnen kostbar ist, nicht an ihre Kinder weitergeben. Wenn mir die Kunst wertvoll ist, werde ich selbstverständlich darauf bedacht sein, meinen Kindern einen Zugang zur Kunst zu erschließen. Das Gleiche gilt für die Religion. Ich werde also meine Kinder taufen oder gegebenenfalls beschneiden lassen. Ich werde dafür sorgen, dass sie das Besondere und Wunderbare der Religion erfahren können. In diesen Dingen werde ich nicht anders verfahren als mit anderen Schätzen unserer Kultur. Das, was mir kostbar ist, werde ich als kostbares Erbe weiterzugeben trachten. Sonst gebe ich mich selber und meine Nachkommen auf.

* Der Autor ist Rektor der Jesuitenkirche in Wien

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