Kleine Inventur für (Nicht-)Glaubende

Werbung
Werbung
Werbung

Der Ungläubige tut gut daran, sich selbst gegenüber von Zeit zu Zeit Rechenschaft über seinen Unglauben abzulegen. Das gilt auch für den Glaubenden. Ich nutze daher diese Zeit der Jahresabrechnungen, der Berichte zum Stand der Finanzen und der sich erstaunlich auftürmenden Schuldenberge zu einer kleinen Inventur. Nicht um Kirchentreue oder Religionszugehörigkeit geht es dabei, also auch nicht um Kirchensteuer, sondern um die Begründung des Glaubens. Glauben nehme ich hier in der Bedeutung von Vertrauen, sich einem anderen anvertrauen.

Eine Inventur soll nüchtern sein: Ich vertraue mich Gott an, weil er erstens ein Gott des Entgegenkommens ist, zweitens ein Gott der kleinen Dinge und drittens ein Gott dauernder Freude.

Erstens: Gott hält nicht Distanz zur Welt, sondern er geht auf sie ein, er wirbt um die Menschen, tritt aus sich heraus und wird schließlich selber Mensch. Zweitens: Gott wird ein Kind, Jesus verwendet für die Gleichnisse der größten Geheimnisse sehr einfache Dinge, die Sprache der Evangelien ist so einfach wie das Leben Jesu, ohne Glanz von Macht und Raffinement. Drittens: Das ergibt sich aus den ersten beiden Punkten. Denn dieser Gott der Liebe ist überall zu finden, auch im Kleinen, auch an den Orten, die Gott fern scheinen, auch in den verdunkelten Zonen des Lebens. Die Freude ist daher überall zu entdecken.

Selbstverständlich hat das alles mit Weihnachten zu tun, mit dieser Geschichte, die in das ganz Kleine und Unscheinbare, in die Nacht führt. Damals hat etwas begonnen, das ins Große und Weite gewachsen ist. Doch wer den Ursprung im Kleinen vergisst, dem fehlt die Begründung. Das gilt für den Glaubenden und für den nicht Glaubenden. In diesem Sinn, ob Sie glauben oder nicht, schöne Weihnachten!

Der Autor ist Rektor der Jesuitenkirche in Wien

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung