Am vergangenen Sonntag war die Hochzeit von Kana dran. Diese Geschichte wurde als Evangelium während der Messfeier gelesen. Sie ist am Beginn des zweiten Kapitels des Johannesevangeliums zu finden. Der Wein ist ausgegangen, eine Katastrophe. Jesus verwandelt Wasser in Wein, sechshundert Liter. Der neue Wein ist besser als der zuvor getrunkene.
Alles in allem eine Geschichte, an der ich als Weinliebhaber meine Freude habe. Freilich ist es nicht nur der Bericht von einer überraschenden Rettung der Hochzeitsfreude. Die Geschichte hat noch eine andere Bedeutung. Der neue und bessere Wein ist Jesus selber, seine Lehre, sein Wort. Das macht die Sache etwas heikel.
Kann ich sagen, das Christentum sei die bessere Religion? Besser als was? Ich würde mich auf keinen Vergleich der Religionen einlassen. Es geht in der Geschichte jener Hochzeit auch nicht darum. Dort heißt es: Wenn alles vorbei ist, kommt noch etwas, und zwar das besonders Gute.
Mit dem Christentum als einer von der Religion durch und durch geprägten Kultur ist es heute in Europa vorbei. Religion ist heute wieder für viele interessant, doch das Christliche tritt dabei völlig in den Hintergrund. Viele sagen, der Glaube würde in Europa verschwinden.
Aber könnte es nicht sein, dass der eigentliche Glaube, jener an die Person Jesu Christi, jetzt erst, wo das Christentum am Ende ist, entdeckt wird? Der bessere Wein, das wäre der Glaube an den Mensch gewordenen Gott, ein Glaube, der die abgeschlossenen Gebiete des Religiösen verlassen hat und sich im Alltäglichen auf die Suche nach Gott macht. Ein Glaube, der Gott dort zu entdecken vermag, wo ihn früher niemand vermutet hätte. Ein Glaube, der im Einfachen und Unscheinbaren den Ort des Festes entdeckt.
* Der Autor ist Kunsthistoriker und Rektor der Jesuitenkirche in Wien
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