Von Bildern der Fülle und des guten Lebens

Werbung
Werbung
Werbung

Religion • Der Wein ist ein markantes Element des Judentums und des Christentums. Ein Buch Anton Burgers unternimmt eine Spurensuche.

Vier Becher Wein werden am Sedermahl, dem rituellen Gedächtnis der jüdischen Familie an den Auszug Israels aus Ägypten, am Vorabend des Pessachfestes getrunken. Ein fünfter Becher steht da für den Propheten Elija, der, so glauben die Juden, im Vorfeld der Ankunft des Messias wiederkommen soll. Und nicht zuletzt zur Feier des Schabbat gehört Wein: So wird der Schabbat mit einem Becher Wein in der Synagoge begrüßt, auch bei der häuslichen Schabbatfeier spielt der feierliche Schluck Wein eine eminente Rolle.

In der Abendmahls-(Eucharistie-)Feier aller christlichen Konfessionen nimmt der Vorsteher nach dem Brot den Becher mit Wein und rezitiert dazu die überlieferten Worte Jesu, etwa: "Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!“ (1Kor 11,25) Und dann trinkt die Gemeinde (oder der Vorsteher stellvertretend für die Gemeinde) daraus. In beiden Religionen, die die Bibel als ihre Heilige Schrift bezeichnen, ist der Wein und der Genuss desselben ein wesentliches Zeichen. Beide hier angesprochenen zentralen Rituale finden auch rund um den Wein statt und beziehen sich auf biblische Anweisungen.

Von Noach bis Jesus

Schon ein kursorischer Durchgang durch die biblischen Texte zeigt, dass der Rebensaft sowohl das Alte als auch das Neue Testament durchzieht. Man könnte sogar soweit gehen, anzumerken, dass Judentum wie Christentum ohne den Wein nicht denkbar sind. Nicht nur das letzte Abendmahl Jesu, sondern sein erstes Auftreten bei der Hochzeit zu Kana, von dem das zweite Kapitel des Johannesevangeliums berichtet, dreht sich um den Wein - Jesus wandelt den Mangel an Wein auf wundersame Weise. Und dazwischen liegen eine ganze Schar an Gleichnissen, in denen vom Weinberg und von Winzern die Rede ist, Jesus vergleicht sich einmal mit dem Weinstock und seine Anhänger mit den Reben (Joh 15,5).

Anton Burger, Ökonomie-Professor an der Universität Eichstätt und promovierter Theologe, hat im Band "Zum Wein in der Bibel“ die wichtigsten Befunde zum Thema zusammengetragen. Allein an dieser einfach aufgemachten Analyse wird sichtbar, wie sehr der Wein ein biblisches Grundelement darstellt. Das kommt nicht von ungefähr: Die biblischen Texte und Erzählungen wurden in einer weitgehend agrarischen Gesellschaft grundgelegt. Das Agrarprodukt Wein spielt von daher schon eine sehr wichtige Rolle. Auch die Feste und Festmähler sind daher von ihm mitgeprägt - im Guten wie im Bösen. Schon bei Noach im Buch Genesis kommt der Wein als Rauschmittel und lässt den Stammvater in unvorteilhafter Pose, nämlich nackt, zurück (Gen 9,21). Später, in der Josefserzählung, taucht der Mundschenk des Pharao als hochgestellte Persönlichkeit auf (Gen 40): Teilhabe an der Trinkkultur bei Hofe war höchste gesellschaftliche Position. Bei den Mählern fanden Gelage ebenso statt wie schicksalhafte Entwicklungen, etwa das Gastmahl des babylonischen Königs Belschazzar im Buch Daniel, eine Orgie, die durch das Unheils-Orakel "Menetekel“ verdüstert wurde (Dan 5). Oder die Tötung des gleichfalls babylonischen Feldherrn Holofernes durch Judit, die ihr Opfer trunken macht und dann das Volk Israel von der Fremdherrschaft befreit (Jud 13).

Eine Kulturgeschichte des Menschen

Anton Burger konstatiert, dass die Kulturgeschichte des Menschen gerade in biblischer Perspektive auch eine Kulturgeschichte des Weines ist. Eine ganze Reihe von Sozialgeboten und Vorschriften fürs menschliche Zusammenleben ranken sich rund um den Wein. So soll der Winzer den Weinberg nicht leerernten, sondern Trauben hängen lassen für die Armen und Fremden, die vorbeikommen, und die Reste des Weinbergs sollen der Allgemeinheit dienen (Lev 19,9-10).

Wein ist in der Bibel ein Bild der Fülle, des guten Lebens, das man sich wünscht: Als das Volk Israel an der Schwelle des Gelobten Landes steht, werden Kundschafter ausgeschickt, und die kehren mit Riesentrauben zurück, um dem wartenden Volk zu zeigen, dass hier wirklich Überfülle da ist (Num 13,23-24). Wein ist auch ein Liebesbild, im Hohelied, dem erotischen Gedicht in der Bibel, kommt Wein zuhauf vor: "Süßer als Wein ist deine Liebe.“ (Hld 1,2) Auch für die Propheten gehört Wein zum Repertoire der Rede, nicht zuletzt in den eschatologischen Bildern des messianischen Zukunftsreichs (Jes 25,6). Der Wein repräsentiert aber nicht nur die Fülle, sondern weist auch arg negative Eigenschaften auf, berichtet die Bibel gleichfalls, die eben ein mit allen Wassern des Lebens gewaschenes Buch ist. Im Buch Jesus Sirach ist der maßvolle Weingenuss auf den Punkt gebracht: "Wie ein Lebenswasser ist der Wein für den Menschen, / wenn er ihn mäßig trinkt. / Was ist das für ein Leben, wenn man keinen Wein hat, / der doch von Anfang an zur Freude geschaffen wurde. / Frohsinn, Wonne und Lust bringt Wein, / zur rechten Zeit und genügsam getrunken. / Kopfweh, Hohn und Schimpf / bringt Wein, getrunken in Erregung und Zorn.“ (Sir 31,27-29). Neben den vielen Beispielen, die die Bibel zum Wein bereithält, sucht Anton Burger in seinem Buch einen roten Faden zu entdecken: "Der Weinberg und seine Früchte werden in der Bibel mit Ruhe, mit Frieden und mit einem gelingenden Leben verknüpft. Das betrifft sowohl die diesseitige als auch die jenseitige … Perspektive“. Letztere kommt ja ganz deutlich auch im Abendmahlsbericht bei Matthäus zur Sprache, wo Jesus sagt: "Ich sage euch: Von jetzt an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, an dem ich mit euch von neuem davon trinke im Reich meines Vaters.“ (Mt 26,29)

Zum Wein in der Bibel

Im Rebstock ist Leben

Von Anton Burger

Logos Verlag 2013. 241 Seiten, brosch., € 29,80

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung