Die Gefahr eines neuen Faschismus

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn nachts die Türen fest verschlossen sind, im Haus das Licht hell leuchtet und alle um den Tisch versammelt sitzen – wer geht dann gern zur Tür, öffnet und tritt über die Schwelle ins Ungewisse? Wer geht schon gerne an den Rand, wo kein fester Halt zu finden ist, der Boden unter den Füßen wegbröckelt, die starke Hand der Macht ins Leere greift?

Wirtschaft, Politik, Kultur, Religion: Häuser, deren Türen verschlossen sind. Die Bewohner sitzen im hellen Inneren versammelt. Sie hätten gerne ihre Ruhe. Aber immer öfter wird an die Tür geklopft, wird an der Tür gerüttelt. Manchmal wird sie auch eingetreten.

Krisen und Katastrophen. Was aktuell in der Welt geschieht, fordert mutige Frauen und Männer, die bereit sind, aus dem Eigenen und Vertrauten und Gesicherten hinauszugehen.

Wem ist es zu wenig, die eigenen vier Wände, den gesicherten Bezirk, die erlangte Macht zu verteidigen? Wir brauchen Menschen, die bereit sind, zur Tür zu gehen und über die Schwelle zu treten. Krisen und Katastrophen können auch als Hilfe gesehen werden, sich in Bewegung zu setzen, aufzubrechen, dem anderen entgegenzugehen.

Doch die Gefahr der Verkapselung ist heute groß. Vieles deutet darauf hin, dass ein neuer Faschismus heute große Chancen hat. Wer einfache Formeln zu bieten hat, zieht viele auf seine Seite. Ein neuer Faschismus, dem die Gegner des alten nicht gewachsen sind. Der nicht weniger als der alte bejubelt wird von denen, die das Eigene vergöttern. Der nicht weniger als der alte alle jene mit dem Tod bedroht, die bereit sind, zur Tür zu gehen.

Wir brauchen Menschen, die nicht am Tisch der Hausbewohner sitzen bleiben, sondern gemeinsam mit denen, die draußen sind, einen Weg durch Krisen und Katastrophen suchen.

* Der Autor ist Kunsthistoriker und Rektor der Jesuitenkirche in Wien.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung