Vor der eigenen Tür kehren

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Hier will jemand hoch hinaus. Ganz hoch. Auf dem Umschlag für die Stimmkarte der Wiener Volksbefragung steht Priority Airmail. Die Fragen werden so eingeleitet, dass sie praktisch nicht falsch zu beantworten sind. Doch schon die erste Frage macht mich stutzig. Hier geht es offenbar um Artenschutz. Der Hausmeister, eine vom Aussterben bedrohte Gattung, soll gerettet werden. Gefragt wird: „Sind Sie dafür, dass in Wien die Möglichkeit geschaffen wird, neue Hausbesorger/innen (mit modernem Berufsbild) einzustellen?“

Ich bin fürs Neue. Aber nicht beim Hausmeister. Mit modernem Berufsbild? Eine Hausbesorgerin, ein Hausbesorger ist eine ganz altmodische Angelegenheit. Sie wissen, was los ist im Haus, kennen die Leute, gehen mit dem Besen vors Haus und kehren vor der eigenen Tür. Keine Reinigungsfirma, deren Vertreter schnell vorbeischauen, Schnee schaufeln und Salz streuen und schon wieder weg sind, kann das. In unserer Gesellschaft wird zuviel delegiert und zu wenig Verantwortung übernommen.

Ich bin also unbedingt für die Hausbesorger und Hausbesorgerinnen. Das klingt nach Seelsorger und Seelsorgerinnen. Jeder Priester sollte sich mit dem Besen vor die Kirche stellen und kehren. Ich tu das seit Jahren. Und lerne so die Menschen der Umgebung kennen. Wer den Besen in der Hand hat, wird ja viel leichter angesprochen als ein Herr mit Weihwasserwedel. Die Sorgen der Hundebesitzer werden mir vertraut. Ich bekommen Dinge zu hören, von denen in der Sakristei nie die Rede wäre.

Wie wäre es, wenn Politiker vor der eigenen Tür kehrten? Minister, Bundeskanzler und Bundespräsident bekämen ganz andere Dinge zu hören. Ein Land von Hausbesorgern und Hausbesorgerinnen. Da könnten wir dann unbesorgt die Bundeshymne lassen, wie sie ist.

* Der Autor ist Kunsthistoriker und Rektor der Jesuitenkirche in Wien

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