Kunst, Blasphemie und Christentum

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Was mir an Gott so gut gefällt, ist, dass er nicht mit sich selbst beschäftigt ist. Nach dem christlichen Glauben ist Gott in sich Beziehung, das ist der Sinn von "Dreifaltigkeit“. Nichts trübt die Harmonie. Man ist sich völlig eins, kommt glänzend aus miteinander.

Doch nein, Gott wird Mensch und tut sich ein irdisches Leben an mit allen Begleiterscheinungen bis hin zum Kreuz, wo er den Spott der Leute über sich ergehen lassen muss. Gott macht sich zum Gespött der Leute, weil es ihm nicht um sich selber geht.

Die Christen können einiges von ihm lernen. Vor allem die Sorge um sich selber, die eigenen vier Wände und den eigenen Betrieb nicht zu groß werden zu lassen. Oft ist es die Art und Weise, wie Kirche mit sich selber beschäftigt ist, die Spott geradezu herausfordert.

Durch langen Umgang mit Kunst und Künstlern habe ich gelernt, dass es dort nicht anders zugeht. Auch sie sind mit sich selbst beschäftigt, selbstreferenzielle Systeme, wie man schön sagen könnte. Daher ist ein Gutteil der Produktion völlig kraftlos, langweilig und höchstens für dekorative Zwecke zu brauchen.

Hellhörig werde ich dann, wenn gegen manche Werke der Vorwurf der Blasphemie erhoben wird. Da bricht die Kunst aus dem Eigenen aus. Das Ergebnis bringt sie in die Nähe des Mensch gewordenen Gottes. Denn wer das Christentum zu Ende denkt und zu Ende lebt, wird rasch der Blasphemie verdächtigt. Es lohnt sich, die Filme von Ulrich Seidl einmal unter diesem Gesichtspunkt zu sehen.

Dagegen gilt "Liebe“ von Michael Haneke nicht als blasphemisch. Der Film zeigt eine völlig in sich geschlossene Welt. Das Schauspielerpaar ist großartig, der Film belanglos. Isolation ist tödlich. Das weiß ich auch ohne diesen Film.

* Der Autor ist Kunsthistoriker und Rektor der Jesuitenkirche in Wien

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