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Zum neuen Menschenbild

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Gibt es eine christliche Kunst? Vermag der Glaube den Künstler zu inspirieren? Wodurch haben sich zwischen der Kirche und den Künstlern Verständigungsschwierigkeiten ergeben? Passen Bilder von Malern der Gegenwart in den Kirchenraum? Eine Diskussion über diese Themen im Club 2 hat berechtigtes Interesse hervorgerufen. Die FURCHE bat einige namhafte Fachleute um Stellungnahmen zum Thema Kunst und Kirche: die bildenden Künstler Hans Fronius und Florian Jakowitsch, die Schriftsteller E. C. Heinisch und Peter Turrini, den Kunsthistoriker Rupert Feuchtmüller. Pater Alfred Focke SJ, Lektor für theologische Themen in der modernen Literatur, hat die Diskussion zusammengefaßt.

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Gibt es eine christliche Kunst? Vermag der Glaube den Künstler zu inspirieren? Wodurch haben sich zwischen der Kirche und den Künstlern Verständigungsschwierigkeiten ergeben? Passen Bilder von Malern der Gegenwart in den Kirchenraum? Eine Diskussion über diese Themen im Club 2 hat berechtigtes Interesse hervorgerufen. Die FURCHE bat einige namhafte Fachleute um Stellungnahmen zum Thema Kunst und Kirche: die bildenden Künstler Hans Fronius und Florian Jakowitsch, die Schriftsteller E. C. Heinisch und Peter Turrini, den Kunsthistoriker Rupert Feuchtmüller. Pater Alfred Focke SJ, Lektor für theologische Themen in der modernen Literatur, hat die Diskussion zusammengefaßt.

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Unsere zur kritischen Diagnose neigende Zeit hat die Problematik der Kunst mit aller Schärfe durchleuchtet, Argument und Gegenargument einander so klar gegenübergestellt, daß es dagegen fast nichts mehr zu sagen gibt. Die Dialektik ist so kunstvoll geworden, daß man mit ihr alles beweisen kann, sie selber ist zu jenem Kunstwerk

geworden, das durch sie in Frage gestellt wird. Sprachlosigkeit ist meist das Resultat.

Natürlich ist die Diskussion dort am schärfsten, wo es um die bildhaften Künste geht. Man hat zunächst die historischen Bilder abgewertet - um nur den so oft zitierten Gottvater mit dem wallenden Bart zu nennen - und die Christen aufgefordert, das Leben von heute dort aufzusuchen, wo es alles schon Dagewesene überragt, an der vordersten Front also.

Der Prozeß scheint sich verkehrt zu haben: stand einst die Kunst im Dienste der Kirche, war sie thematisch von ihr bevormundet, so wird der Christ nun eingeladen in die Aktionszentren modernster Kunst zu gehen, um dort Spiritualität und Transzendenz zu erfahren.

Der Nichtfachmann wird solche Kunstkongresse aber vielfach verwirrt verlassen, zumal er dort erfahren muß, daß es die Kunst und das Bild in herkömmlicher Art überhaupt nicht mehr gibt und daß für das Neue keine Wertmaßstäbe existieren.

Angesichts eines solchen therapeutischen Nihilismus behalten die früher erworbenen Einsichten meist ihre Kraft. Die gekrönte und bärtige Chri- stusfigur mitten im Pacher-Altar in St. Wolfgang wird etwa - hier möge jeder seine eigenen persönlichen Erfahrungen und Beispiele einsetzen - nach wie vor ein inneres Fenster öffnen; im Rahmen des Abbildes wird sich ein geistig schaubares Bild auftun. Anderseits aber könnte derselbe Betrachter, von der Sprachlosigkeit moderner Kunst dennoch ergriffen sein, in ihr nun erst recht etwas suchen, das er zwar nicht definieren kann, das ihn jedoch bewegt und das er nun ergründen möchte.

An diesem Punkt angelangt - dies erfährt man in vielen Diskussionen vor Kunstwerken - kann es zunächst, rein theoretisch, zu neuen Einsichten kommen, vielleicht zum Erlebnis faszinierender Unmittelbarkeit, die alle mitgebrachten Bilder zurückweichen läßt.

Die Diskussion wird dann erst kritisch, wenn es um die Frage der Bewertung geht. Dies reicht vom materiellen Wert über den „musealen“ Rang bis zum persönlichen Verhältnis. Noch kritischer wird es, wenn ein solches Werk für den Kirchenraum vorgesehen ist. Obwohl man weiß, daß erst die Zeit ein Urteil spricht, so enthebt eine solche Erkenntnis keineswegs der Stellungnahme. Und die kommt auch: Bilder werden für den Kirchenraum deshalb als belanglos abgelehnt, weil sie keine christliche Botschaft in sich tragen, das Menschliche an Ihnen ist zu individuell, zu eingeschränkt oder zu hoffnungslos.

In der Kirche gibt es kein Kunstwerk, das nur für sich selber da sein

möchte. Solch ein Kriterium vermittelt einen sehr differenzierten „Stellenwert“, der sich immer noch an den Extremen von Gut und Böse orientiert, aber viele Zwischenstufen kennt. Eine Schwarz-Weiß-Entscheidung ist sicher falsch, denn sie schließt das Leben aus.

Die Wahrheit verlangt eine konkrete Antwort, weil sie selber konkret ist,.

Wie weit wir sie gehen können, hängt von uns ab. Das Negativste, das sich auf einer solchen Suche nach konkreten Urteilen einstellen kann, ist, daß manche Bilder durchaus neutral sind, daß sie nichts bewirken. Selbst das Böse verlangt nach Umkehr, und .das Gute ist nur Vor-Bild, wenn es ein vor dem Bild liegendes Ziel auftut. Unter solchen Aspekten treten Form- und Stilfragen zurück. Unwirksame Kunst ist in ihrem Wesen un-menschlich. Der Mensch und sein Handeln bleiben daher nach wie vor der oberste; reichste Bildgegenstand. Er, der Mensch ist es auch, der der historischen christlichen Kunst bis heute ihre Faszination verleiht./Das rein abstrakte Zeichen ist ohne Konsequenz.

Gewiß, zunächst müssen wir, wenn wir an diesen Fragen teilhaben wollen, die Kunst unserer Zeit zu verstehen suchen, aber dann sollen wir die Künstler für die Botschaft des Christentums neu gewinnen. Es genügt nicht, daß wir mit

der sogenannten modernen Kunst leben, entscheidend ist es, daß sie vom Christentum wieder inspiriert wird, daß sie ihre spirituellen Kräfte wieder in den Dienst des Evangeliums stellt. Wir können die Ausstrahlung des Christentums an den Kunstwerken unserer Tage messen, an den Kirchen und ihrem künstlerischen Schmuck; das Kriterium bleibt der Inhalt in der künstlerischen Form, nicht die Illustration. Erst aus einer solchen inneren Bindung im Glauben kann die Partnerschaft zwischen Kunst und Kirche neu belebt werden, der Taufschein ist dafür ebenso wenig entscheidend, wie eine goldene Medaille bei irgend einer Biennale. Die Richtung muß stimmen.

Das Christentum ist nur lebendig, wenn es täglich handelt, und die Kunst ist dann bedeutend, wenn sie diesem Alltäglichen ein Ziel weist. Die Dimensionen, die sich dem schöpferischen Menschen auftün sind gewaltig, denn das Leben des gläubigen Christen ruht nicht in sich selber.

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