"Der schejne Jid"

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Das Wiener Jüdische Museum arbeitet Vorurteile auf.

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Das Wiener Jüdische Museum arbeitet Vorurteile auf.

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Mit erhobenen Fäusten gehen zwei Männer aufeinander los - die englische Lithographie aus dem 19. Jahrhundert will mit dem Kampf des jungen Iren gegen den englischen Juden Belasco das vorhandene Klischee des körperlich schwachen und feigen Juden widerlegen.

Diese Darstellung ist eines der vielen Dokumente zum "Bild des jüdischen Körpers in Mythos und Ritual", mit dem sich die Schau "Der schejne Jid" im Wiener Jüdischen Museum auseinandersetzt. Immer schon haben sich antijüdische Vorurteile an Äußerlichkeiten entzündet, und so hat die Ausstellung zu jedem der Abschnitte (Geburt und Beschneidung, Hochzeit und rituelle Reinheit der Frau, Schabbat und Speisegesetze, Krankheits- und Begräbnisriten) die herrschenden Vorurteile und Verzerrungen gleich selbst miteinbezogen.

Es sind aber auch Kunstwerke zur Illustration des "exotischen Juden", der "schönen Jüdin" oder des "häßlichen Juden" versammelt. Der Altarblattentwurf von Peter Paul Rubens zu einer "Beschneidung Christi" atmet dessen weltzugewandte Lebensfreudigkeit, Rembrandts Radierung von "Abrahams Opfer" widerspiegelt Frömmigkeit, und Hans Makarts "Sarah Bernhardt" zeigt dessen malerische Meisterschaft. Dagegen karikiert Arnold Böcklin in seiner "Susanna im Bade" in den beiden Alten semitische Geilheit, und Chaim Soutines "Selbstporträt" spiegelt eine Vielzahl körperlicher Defizite. Denn "schejn" ist der Jude erst durch seelische und charakterliche Qualitäten - nicht durch sein Äußeres. Ein Vorläufer dieser Schau war die sogenannte Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden, bei der jüdische Wissenschaftler versuchten, die Fortschrittlichkeit jüdischer Bräuche und Hygiene "wissenschaftlich" zu beweisen. Viele Objekte dieser Schau mußten dann im Jahr 1939 der diffamierenden Darstellung des "körperlichen und seelischen Erscheinungsbildes der Juden" im Wiener Naturhistorischen Museum dienen.

Bis 24. Jänner 1999

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