Der Strich des Löwen

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Konsequenz, Sensibilität und Freiheit in Kunst und Leben: eine Ausstellung zum 100. Geburtstag von Hans Hartung.

Einen "europäischen Künstler, dessen Lebenslauf die Unruhe unseres Kontinents im 20. Jahrhundert widerspiegelt", zeigt die Galerie Carinthia im Stift Ossiach anlässlich seines 100. Geburtstags: Hans Hartung, einer der bedeutendsten Vertreter der École de Paris und der klassischen Abstraktion.

In Nizza und im Kölner Museum Ludwig wird er mit großen Ausstellungen gewürdigt, in Österreich blieb es der Galeristin Irmgard Bohunovsky vorbehalten, dem langjährigen Freund Raum zu geben. Sie stellt in Ossiach - im 25. Jahr der Galerie - frühe Grafiken der 50er und 60er Jahre aus, "seltene Stücke, alle aus eigenen Beständen" und gesammelt, seit sie 1980 zum ersten Mal Hans Hartung in Antibes getroffen hat, um eine Ausstellung in Klagenfurt vorzubereiten. Die Verbindung stellte Hartungs Freund und Studienkollege Gottfried Fabian her. Eine "spontane gegenseitige Sympathie" zwischen ihr und Hans Hartung sowie auch seiner Frau Anna-Eva Bergman war die Grundlage dafür, dass Irmgard Bohunovsky immer wieder nach Antibes fuhr. 1981 erhielt Hartung den erstmals verliehenen Oskar-Kokoschka-Preis. 1986 schon war eine Ausstellung in Ossiach Hartung gewidmet, der 1989 starb. Er war französischer Staatsbürger, vom Naziregime weg nach Frankreich gegangen, in die Fremdenlegion eingetreten und hatte vor dem Ende des Krieges ein Bein verloren. In Frankreich wurde er mit hohen Ehren ausgezeichnet, erst viel später dann auch in Deutschland.

Konsequenz, Sensibiliät und Freiheit stimmen in Kunst und Leben überein: 1904 in Leipzig geboren, ging Hartung zuerst schon in den zwanziger Jahren nach Paris und wandte sich der Abstraktion zu. Er befasste sich mit Nolde und anderen Expressionisten, vorher aber lange Zeit mit Rembrandt. Zehn Jahre lang studierte er den Goldenen Schnitt und nahm in Kauf, fast zu verhungern, anstatt - wie andere Künstler - Stoffmuster in Textilfabriken zu entwerfen. Bohunovsky: "Er aber machte seine Kunst: Striche, so wie er schon als Kind seine Hefte immer mit Blitzstrichen überzogen hat." Striche, die abstrakt-expressiv, lyrisch und intellektuell hinreißend gesetzt waren und die europäische Malerei entscheidend befruchteten.

"Er wollte wissen, ob seine Arbeit Kunst war, und bei der Rembrandtzeichnung eines Löwen ging ihm ein Licht auf: Wenn nur ein Strich des Löwen schwach ist, ist der ganze Löwe schwach. Also müsste eigentlich ein Strich genügen, um die ganze Stärke des Löwen einzufangen. Das innerste Gefühl in konzentrierte Zeichen zu bannen, hat niemand so gemacht wie er."

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