Der vergessene Architekt des Jugendstils

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Seine Bauten prägen Wien und Prag, Städte wie Lemberg und Czernowitz, sein Name geriet in Vergessenheit: | Friedrich Ohmann, Architekt des Jugendstils, erhält langsam den verdienten Platz öffentlicher Anerkennung.

Die Einschätzung der historischen Leistung des Architekten Friedrich Ohmann (1858-1927) durch Manfred Wehdorn, ebenfalls Architekt und Professor an der Technischen Universität Wien, fällt klar aus: Ohmann "ist einer der größten europäischen Baukünstler". Er sei ein "Europäer", ein "moderner, mobiler Mensch, der uns heute noch Vorbild sein kann".

Die Stadt Wien und der Verein "Kunst und Kultur" haben es sich zur Aufgabe gemacht, Friedrich Ohmann der Vergessenheit zu entreißen. Sie wollen ihn aus dem Schatten seines Zeitgenossen, des Architekten Otto Wagner lösen und ihm so den gebührenden Platz in öffentlicher Bekanntheit und Anerkennung zu verschaffen.

Es ist eine feine und internationale Runde von Architekten, Planern und historisch interessierten Persönlichkeiten, die sich im Gedenken an Ohmann einmal im Jahr in Wien trifft: Jeweils am 21. Dezember, dem Geburtstag des Baukünstlers, wird im Palmenhaus im Burggarten seiner gedacht. In äußerst sachkundigen Vorträgen der Referenten aus den Ländern des Lebens und Wirkens von Ohmann, der heutigen Ukraine und aus Tschechien, wird dessen bis heute wirkende Bedeutung erkennbar.

Friedrich Ohmann, der an der vorigen Jahrhundertwende wirkte, hatte das "richtige Talent, das seine Zeit zu schätzen wusste", meinte Jindrich Vybiral, Leiter des Lehrstuhles für Kunstgeschichte und Ästhetik an der Academy of Art, Architecture and Design in Prag: "Er war extrovertiert mit einem nahezu grenzenlosen Einfühlungsvermögen für die Geschichte, für sein Umfeld und auch für die Wünsche seiner Kunden."

Das Publikum zur Moderne führen

Als ein "mit außerordentlicher Formenfantasie begabter", zudem "tüchtiger Eklektiker" konnte Ohmann nicht der Versuchung widerstehen, für die Zeit Ende des 19. Jahrhunderts völlig neue Wege zu gehen. Ähnlich wie Berufs- und Zeitgenossen in Wien, musste er sich an seiner Wirkungsstätte in Prag mit Kritik am Neuen auseinandersetzen. Seine Lösung? Beim Umbau des Hauses am Graben in Prag, in welchem das Café Corso nach seinem Entwurf errichtet wurde, meinte er zu dem 1897/98 zeitgleich vorgenommenen Umbau der Hausfassade, dies sei "ein Versuch, wie man sich langsam einer modernen Auffassung annähern und das Publikum an diese gewöhnen kann, ohne daß es Anstoß daran nimmt".

Der zeitlosen Gültigkeit der sezessionistischen Eroberung sei er sich, wie Viviral erläutert, aber nicht allzu sicher gewesen. Daher habe Ohmann eine Art von Sicherheitsabstand hergestellt und schrieb dazu: "Ich ging vom Grundsatz aus, die stabile Dekoration solle stärker der Tradition verhaftet bleiben, während eine gemalte, die sich leichter erneuern ließ, moderner sein sollte."

Dieser erste Bau des Prager Jugendstils war ein Produkt der Kompromisse, aber zugleich ein moderater Versuch der "Moderne". Die günstige Aufnahme in Prag ermunterte Ohmann zu einer Wiederholung, führte ihn zum floralen Jugendstil - und 1898 kehrte er nach Wien zurück.

Hier übernahm er die Fertigstellung der kaiserlichen Hofburg und erlangte 1904 eine Professur an der Akademie. Dank seiner Vielseitigkeit und seiner Professionalität wurde er, so Vybiral, "einer der erfolgreichsten Architekten der Habsburgermonarchie".

In den Projekten Ohmanns überwiegen die Züge des Neubarock. Trotz des gelungenen Versuches in der Moderne sei Ohmann "ein typischer Vertreter des späten Historismus" gewesen. Vybiral: "Der Jugendstil bedeutete für Ohmann nur eine der vielen Wandlungen seines höchst individuellen persönlichen Stils."

Programmatisches Bekenntnis

In den Auseinandersetzungen um Stilfragen, hinter denen sich weltanschauliche und oft genug politische verbargen, formulierte Ohmann sein Programm folgendermaßen: "Ich stehe nicht auf dem Standpunkt des formalen Versuchens, weil ich zu viel Verantwortlichkeitsgefühl besitze und nicht den Anspruch und die Absicht habe, durch Originalität zu übertrumpfen."

Die Notizen Ohmanns lassen erahnen, wie intensiv und wie tiefgehend die Auseinandersetzung mit historischen Vorlagen einerseits und mit den Anforderungen der Gegenwart andererseits geführt wurde: "Ich habe gelernt, alle künstlerischen Erscheinungen sowohl vergangener Zeiten als auch unserer zeitgenössischen Periode mit der gleichen Freude und dem gleichen Interesse zu umspannen und zu schätzen", schrieb Ohmann. Und weiter: "Ich stehe also auf dem Standpunkt, auf dem die Künstler meiner Alterslage stehen, die ein großes Stück wechselnder Kunstanschauungen selbst miterlebt haben und sich dann überzeugten, daß nicht immer das Allerletzte Trumpf ist."

Ein Kind der Monarchie

Die Auffassung Ohmanns von moderner Architektur unterschied sich, wie Vybiral erläutert, von jener, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts durchsetzte: "Anstelle der geometrischen Reduktion und der Annäherung an den Rationalismus von Ingenieurbauten zog er eine Synthese historischer Themen vor, die er schöpferisch in Einklang mit Bedürfnissen des modernen Lebens interpretierte."

Die Rückkehr Ohmanns nach Wien im Jahr 1898 ist, wie Wehdorn in einer dem Architekten gewidmeten Publikation schreibt, dem Angebot der Stadt zu verdanken, die ihn einlud, die architektonische Leitung der Regulierung des Wienflusses zu übernehmen. Im Jahr darauf wurde er zum künstlerischen Leiter des Hofburgbaus ernannte. In dieser Funktion, so Wehdorn, errichtete Ohmann das Palmenhaus im Burggarten, in welchem seit drei Jahren des Geburtstages des Architekten gedacht wird.

Friedrich Ohmann war "ein Kind der Monarchie", meint Wehdorn. Er konnte mit den Möglichkeiten, welche die Größe des damaligen Landes bot, umgehen. Erfolge in Wettbewerben und Bauten wie Schlossbrunnenkolonaden in Karlsbad, das Kurhaus in Meran oder das archäologische Museum in Split zeugten davon.

In zeitgemäßem Sinn sei Ohmann, ein Mitbegründer der Sezession, bis zu seinem Tod im Jahr 1927, mit seinem Leben und Schaffen sowie in seinem Gedankengut "ein Europäer".

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