Die Gier nach "bad news"

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Steht der Untergang des Abendlandes bevor? Man kann zumindest meinen, der Jüngste Tag sei angebrochen, wenn man sich berieseln und berauschen lässt von all dem, was im Blätterwald und in den Talkshows derzeit mit aller (Medien-)Macht über uns hereinprasselt. Und auch das Jüngste Gericht wird effektvoll inszeniert - angesichts der Selbstgerechtigkeit, mit der viele Medien nicht nur schwadronieren, sondern auch moralisieren.

Der Journalismus hat jahrelang zugeschaut. Gewiss, es gab Kassandrarufe - aber sie sind untergegangen im Schwall der PR-Botschaften, die uns verkündet haben, all die Finanzjongleure hätten ihre Traumrenditen durch Leistung und Produktivitätssteigerungen verdient statt durch hoch riskante Wetten.

Aber haben Journalisten und Medienmanager inzwischen gelernt? Zu befürchten ist, dass sie sich neuerlich prozyklisch verhalten und jetzt mit ihrer Gier nach "bad news" die wirklich große Krise (und damit auch ihren eigenen Untergang) herbeischreiben. Spannend auch, wer die Krise schürt: Bei Deutschlands Intelligenzblatt Nr. 1, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, ist es nicht etwa der für Wirtschaft und Finanzen zuständige Herausgeber, sondern der Feuilleton-Chef Frank Schirrmacher, der uns - offenbar als Krisenexperte und letzter Universalgelehrter - die Weltläufte "erklärt".

Wenn ein Thema wirklich hochkocht, verlieren journalistische Experten ihre Deutungsmacht an die Hierarchen in Politik- und Kulturredaktion. Es kann indes noch schlimmer kommen, wie sich bei Deutschlands feinster Adresse für Qualitätsjournalismus, dem Verlag Gruner + Jahr sehen lässt: Da werden die Wirtschafts- und Finanzjournalisten gleich wegrationalisiert, indem man künftig vier Wirtschaftstitel von einer Redaktion machen lässt. Verkehrte Welt! Das lässt genau den Zuwachs an Sachkompetenz erwarten, den wir zur Krisenbewältigung dringend brauchen …

Der Autor ist Kommunikationswissenschafter in Lugano.

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