Die weiße Taube über Jamaika

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Wie Menschen mit sich selbst und der Erde in Frieden leben können, berieten Christen bei der größten Friedenskonferenz in der Geschichte des ÖRK.

Über 1000 Kirchenvertreter und Friedensaktivisten landeten vergangene Woche auf Jamaika. Mit ihnen landete eine große Hoffnung auf der karibischen Insel: dem Frieden auf Erden ein Stück näher zu rücken. Zum Abschluss der "Dekade zur Überwindung von Gewalt“ diskutierten die Teilnehmer eine Woche lang im Geist der symbolischen weißen Taube bei der Internationalen ökumenischen Friedenskonvokation (IöFK) in Kingston. Von 17. bis 25. Mai widmeten sich die Teilnehmer in Plenarsitzungen, Bibelarbeiten, Workshops und Andachten dem Frieden und waren somit Teil der größten Friedensversammlung in der Geschichte des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK).

Zeugnisse über Gewalt auf der Welt

Prominente Vertreter haben sich in Jamaika eingefunden, darunter auch die deutsche Ex-Bischöfin Margot Käßmann. Sie betonte bei der Eröffnung der IöFK die Rolle der Religionen bei der Überwindung von Gewalt: "Unsere Volkswirtschaften profitieren vom Krieg, den wir beklagen. Es ist an der Zeit, dass die Religion sich weigert, missbraucht zu werden, indem Öl auf das Feuer des Krieges und des Hasses gegossen wird.“

Der Generalsekretär des ÖRK, Olav Fykse Tveit freute sich, Teilnehmer aus aller Welt begrüßen zu können: "Ich glaube, dass Gott uns zusammengerufen hat, damit Sie Ihre Erfahrungen aus Ihren Ländern mit hierher bringen können. Viele von Ihnen tragen die Realität der Ungerechtigkeit und Gewalt mit sich.“

Von ihren hautnahen Erfahrungen mit Gewalt auf dieser Welt geben die Teilnehmer auch Zeugnis bei der IöFK. Das Thema Frieden wurde in vier Punkten behandelt.

Zum Thema "Friede in der Gemeinschaft“ sprach beispielsweise Asha Kowtal, Dalit-Aktivistin in Indien. Sie berichtete über die Lebensbedingungen für Frauen in ihrem Heimatland. "Heute werden Hunderte junger Mädchen von Männern der herrschenden Kaste sexuell missbraucht.“ Das Kastensystem werde von vielen als größte Menschenrechtsverletzung in der heutigen Welt gesehen. Menschen am unteren Ende der Gesellschaft werde permanent der Zugang zu Chancen und Ressourcen verweigert.

Doch Gewalt kann nicht nur den Menschen angetan werden, der Mensch ist auch Meister darin, die Natur zu zerstören. Zum Thema "Friede mit der Erde“ diskutierten die Teilnehmer die Frage, wie Kirchen aktiv auf Klimawandel und Umweltzerstörung reagieren können.

Auch hier erzählten Betroffene von ihrem Schicksal, Pastor Tafue Lusama berichtete etwa vom Schicksal seiner Landsleute in Tuvalu. Der polynesische Inselstaat im Pazifischen Ozean schrumpft aufgrund steigenden Meeresspiegels. Die Ursache dafür liegt aber quasi am anderen Ende der Erde: in den industriellen Kerngebieten auf der nördlichen Hämisphäre. Die Bewohner Tuvalus sehen einer Zukunft als Umweltflüchtlinge entgegen, womit Gewalt gegen die Erde letztlich auch zur Gewalt gegen die Menschen wird.

Paradigmenwechsel im ÖRK

Ein weiterer Diskussionspunkt war der "Frieden in der Wirtschaft“ und - angesichts der Krisen in den letzten Jahren - die kritische Überprüfung unserer Grundthesen zu Wohlstand und Wachstum. Und als viertes Thema beschäftigte die Friedensaktivisten der "Friede zwischen den Völkern“ und die Konflikte zwischen Rassen, Staaten und Religionen.

Über den vier Diskussionspunkten bei der IöFK schwebte aber ein großes Ziel: eine Ökumenische Erklärung zum "gerechten Frieden“ zu verabschieden. Das freut den evangelischen Bischof Michael Bünker besonders, auch wenn er selbst nicht in Jamaika weilte. "Es ist ein Paradigmenwechsel im Ökumenischen Rat der Kirchen“, so Bünker, "man nimmt Abstand vom ‚gerechten Krieg‘, und geht hin zum ‚gerechten Frieden‘.“

Bünker engagierte sich in der "Dekade zur Überwindung von Gewalt“, an deren Ende nun die IöFK steht. Die weltweiten Erfolge der letzten zehn Jahre sollen in Jamaika gefeiert werden. Für Österreich zieht Bünker Bilanz: "Hier hat es eine enge Kooperation zwischen Kirchen und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen gegeben - das ist nicht selbstverständlich.“ Ein Schwerpunkt sei etwa Erziehung zur Gewaltfreiheit in Schulen gewesen. "Es hätte aber besser gelingen können, die Arbeit in der Dekade stärker in die Gemeinden zu tragen“, resümiert Bünker.

Die IöFK ist für ihn jedenfalls dann ein Erfolg, wenn damit die "Dekade zur Überwindung von Gewalt“ einerseits abgeschlossen wird, das Engagement für den Frieden aber weitergeht. "Wir können ja nicht sagen: So, das ist jetzt erledigt. Durch die Konvokation wird die Gewalt nicht aufhören“, sagt Bünker und ist überzeugt, dass der Einsatz der Kirche für eine Kultur der Gewaltfreiheit durch die IöFK befruchtet wurde.

Über 1000

So viele Friedensaktivisten und Kirchenvertreter aus aller Welt trafen sich in Kingston, um sich über Erfolge und Misserfolge in der "Dekade zur Überwindung von Gewalt“ auszutauschen. Auch die deutsche Ex-Bischöfin Margot Käßman (rechts unten) war vor Ort.

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