Dodons gibt es überall

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"Der goldene Hahn" bei den Bregenzer Festspielen.

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"Der goldene Hahn" bei den Bregenzer Festspielen.

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Bill Clinton spielt Saxophon, Michail Gorbatschow zupft Balalaika. Und Zar Dodon tanzt, singt "Dubidu" und lässt sich zum Affen machen, um der schönen Königin von Schemacha zu gefallen. Populismus heute und vor 100 Jahren im russischen Zarenreich, deren machtgeile Herrscher Nikolai Rimski-Korsakow in seiner 1907 vollendeten letzten Oper "Der goldene Hahn" geißelt. Was damals von der Zensur verboten wurde, hat noch heute Gültigkeit: Dodons gibt es überall, Parallelen sind unübersehbar. Nach den Flüchtlingen in Martinus "Griechischer Passion" vom Vorjahr geht es bei der Hausoper der Bregenzer Festspiele diesmal um die Mächtigen, von den Opfern zu den Tätern, von der Wirkung eines Konflikts also zu dessen Ursache.

Regisseur David Pountney ist dazu viel eingefallen, fast zu viel. Denn über dieser quirligen Polit-Satire im Gewand eines altrussischen Puschkin-Märchens, dieser fantasievollen Mischung aus britischen Slapsticks, Groteske und Tragödie, von Laserlight, Travestie und verführerischen Balletteinlagen, bleibt der ernste Hintergrund der Folgen solchen Machtmissbrauchs etwas auf der Strecke. Rimski-Korsakows Musik ist, mit verschwenderischer Melodienfülle ausgestattet, ein aktuelles Bekenntnis zum anbrechenden 20. Jahrhundert. Die Wiener Symphoniker und der Moskauer Kammerchor unter Vladimir Fedosejev beeindrucken farbenreich und differenziert, in einer homogenen Ensembleleistung trumpfen drei Bühnenpersönlichkeiten auf: Kurt Rydl als dümmlich-polternder Zar, Iride Martinez als koloraturensichere Königin und Eberhard F. Lorenz als verschlagener Astrologe mit enormen Höhenanforderungen.

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