Drei Mal Romeo und Julia

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Die Liebe ist ein Ereignis. Sie lässt sich nicht planen, absichern, verwalten. Sie stürzt sich in all ihrer Macht auf ihre Opfer und wenn sie nicht von selbst das Weite sucht, dann ist der Tod der einzige, der sie vernichtet. Ungefähr so sagt es der französische Denker Alain Badiou, entsprechend brachial inszeniert Philipp Preuss Shakespeares weltberühmte Tragödie "Romeo und Julia" im Wiener Volkstheater. Einerseits verdreifacht er das Liebespaar, andererseits streicht er eine Menge Nebencharaktere. Die Figuren von Mutter und Amme legt er zusammen: Steffi Krautz' Gesicht zeigt sich als überdimensionale, gespenstische Projektion. Ein kleiner Trick mit den Augen, eine Änderung in der Mimik, und mitten im Satz wechselt sie von Mutter zu Amme und retour. Die Julias sind mit Nadine Quittner, Katharina Klar und Stefanie Reinsperger besetzt, die drei Romeos spielen die mindestens so unterschiedlichen Typen Thomas Frank, Nils Rovira-Munoz und Kaspar Locher. Diese Vervielfältigung schafft komische Momente, behauptet verschiedene Konstellationen und gewagte Variationen. Bei den Monologen tritt etwa die dreigeteilte Julia nicht ins Selbstsondern Zwiegespräch, ihre Ambivalenz gerät so zur konkreten Selbstbefragung. Auch Romeo ist der Rasanz und Vehemenz seiner Gefühle kaum gewachsen, er kämpft eher mit sich selbst als mit Tybalt. Dessen Tod wird verknappt: Rote-Rübensaft demonstriert die Bluttat, das grausame Spektakel spart Preuss aus. Die Balkonszene lässt er dafür drei Mal hintereinander spielen und zeigt darstellerische Bandbreite zwischen unterkühlter Begegnung und leidenschaftlicher Romantik. Sein Liebespaar ist ein heutiges: Wilde junge Frauen, mädchenhaft im weißen Kleidchen und schon mit festem Willen in schwarzen Stiefeln steckend, die ihren anarchistischen Romeos auf einem Clubbing begegnen.

Melancholisch, düster

Für atmosphärische Dichte sorgt die Musik, hier gibt Nick Caves melancholische Poetik den Ton an: Mit "Push the sky away" läutet Preuss seine düstere Inszenierung ein.

Auch die Liebesnacht löst er ungewöhnlich: Die sechs Protagonisten liegen Kopf an Kopf am Bühnenboden, sie bilden einen Stern. Aus der Vogelperspektive zeigt die Kamera dieses Menschengebilde als Himmelserscheinung und geht näher, während Christoph Rothenbuchner (als Paris) Caves Liebesballade "Into my arms" singt. Dazwischen bestimmen sieben Pianisten den Rhythmus dieser gezielt unruhigen Interpretation, die in der Übersetzung von Frank Günther das Zotige betont. Damit spaltet Preuss das Volkstheater-Publikum: Auf Buh-Rufe folgten heftige Bravos. Wer Shakespeare "vom Blatt" haben möchte, ist hier fehl am Platz. Wer aber sehen möchte, wie trotz vieler schon an diesem Stück ausprobierten Varianten originell-verfremdende Blickwinkel gefunden werden, ist im Volkstheater gut aufgehoben.

Romeo und Julia

Volkstheater, 2., 6., 7. Feb.

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