Ein jüdischer Aufklärer

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Thema: Reformjudentum

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Vor genau 200 Jahren, also 1810, wurde durch Israel Jacobson (1768–1828) in Seesen die erste Synagoge liberaler Prägung eingeweiht. Am Anfang standen ein Mann und ein Buch. 1804 setzte sich der I. Konsul der Republik Frankreich, Napoleon Bonaparte, die Kaiserkrone aufs Haupt. Im gleichen Jahr war der Code Civil in Kraft getreten. Als Code Napoleon wurde er das erste Gesetzbuch Europas, das keine eigene Judengesetzgebung mehr aufwies. Dies hatte Auswirkungen im gesamten Rheinbund und so auch im Königreich Westphalen. Dort war Napoleons Bruder Jerome König geworden – von 1807 bis 1813.

Mit dem Königreich Westphalen sollte ein Modellstaat geschaffen werden, der die französischen Errungenschaften der (Nach-)Revolutionszeit – Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – auf deutschen Boden führte. Es war Israel Jacobson, der die Chance erkannte, dass dies auch die Grundlage für ein Zusammenleben von Juden und Christen mit gleichen Bürgerrechten bedeuten konnte.

In seinem politischen und religiösen Denken war Jacobson durch die Ideale der Aufklärung geprägt, worin ihn schon früh die Lektüre der Werke Gotthold Ephraim Lessings und Moses Mendelssohns bestärkt hatte. Er konnte den König für ein weitgehendes Emanzipationsdekret gewinnen. An der Formulierung und Durchsetzung des preußischen Emanzipationsgesetzes von 1812 war Jacobson als Ratgeber des Staatskanzlers Karl August von Hardenberg ebenfalls beteiligt.

Das weithin sichtbarste Zeichen des Umschwungs war aber der Seesener Tempel von 1810. Nachdem auch in Berlin, Hamburg und Leipzig ähnliche Tempel gegründet worden waren, nahm die Reformbewegung in ganz Deutschland ihren Lauf. In Wien wurde sie durch Isaac Noah Mannheimer vertreten, der 1825 als Direktor der „Wiener K. K. Genehmigten Oeffentlichen Israelitischen Religionsschule“ nach Österreich kam und mit Kantor Salomon Sulzer eine gemäßigte Gottesdienstreform durchführte.

* Der Autor leitet die Rabbiner-Ausbildungsstätte Abraham-Geiger-Kolleg Berlin/Potsdam

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