Ende Dezember verbringe ich immer einige Tage in Budapest - auch dieses Jahr. Ein Viktor Orbán und seine Leute können mir das nicht vermiesen. Dieses Mal denke ich mit Freude und Melancholie daran zurück, dass mich vor zehn Jahren im Wagen vom Flughafen ins Budapester Zentrum die FURCHE-Redaktion am Mobiltelefon erreichte mit der Frage, ob ich denn für sie eine Kolumne schreiben wollte. Ich wusste nicht recht, warum gerade ich da erwählt worden war, und hatte keine Ahnung, was mich da erwarten würde. Jedenfalls fand ich die Idee reizvoll und sagte zu. Seit Jänner 2006 habe ich nun jeden
Der Tübinger evangelische Systematiker Christoph Schwöbel hat in seiner theologischen Hermeneutik des christlich-jüdischen Dialogs das Grundgesetz für die Begegnung beider Religionen auf den Punkt gebracht: "Die erste Voraussetzung eines christlich-jüdischen Dialogs ist die Anerkennung der Eigenständigkeit der Gesprächspartner. Diese Eigenständigkeit schließt ein, dass die Dialogpartner ihre Positionen jeweils selbst bestimmen müssen und die so selbst bestimmten Positionen von dem anderen Partner anerkannt werden. Was für den Dialog erforderlich ist, ist die Bestimmung des je
Zwei Tage vor meiner Abreise nach Elba erhielt ich ein sinnfälliges Geschenk. Eine Freundin hatte mir im Dorotheum einen alten Druck ersteigert. Er zeigt Napoleon in Wien. Dass Napoleon in einer Wiener Wohnung zu der Ehre gekommen sein sollte, an der Wand zu hängen, beschäftigte mich die Tage auf Elba. Der Parvenu war den Habsburgern doch eigentlich immer verleidet, schon weil er ihnen die Heilige Römische Kaiserkrone Deutscher Nation vom Kopf genommen hatte.Viele Juden aber lieben Napoleon. Er steht dafür, dass aus eigener Kraft alles möglich ist, also für den Primat von Leistung über
Am vergangenen Montag sind in Bielefeld vier neue Rabbiner ordiniert und ein Kantor in sein Amt eingeführt worden. Die Ministerpräsidenten Hannelore Kraft (Nordrhein-Westfalen) und Bodo Ramelow (Thüringen) waren zugegen, als diese jungen Menschen die Verantwortung übernahmen für den Aufbau und zur Stärke der jüdischen Gemeinschaft. Es war auch die Gelegenheit, den früheren Chef von Accenture Österreich, Leslie Bergman, mit der Würde eines Ehrensenators des Abraham Geiger Kollegs auszuzeichnen. "Ledor Vador nagid godlechah ... Wir werden allen Generationen Deine Herrlichkeit kundtun
Nach dem 35. Evangelischen Kirchentag in Stuttgart waren die Zeitungen wieder voll. Wer warnte nicht alles vor der Gefahr für die Kirche, dem Zeitgeist zu verfallen und damit scheinbar an Authentizität einzubüßen. Fast hat man den Eindruck, wer dem Geist der eigenen Zeit verpflichtet ist, der verrät den Moment in der Vergangenheit, an dem Gott dem Menschen die Wahrheiten über diese Welt offenbart hat. Augenscheinlich wird angenommen, das Zurückliegende sei näher am Echten der Glaubensbotschaft, als das, was heutige Generationen mit Gott erleben. Was ist eigentlich so anstößig am
Die gängige Form der Bezeichnung Gottes im Judentum ist das Tetragramm. Die Vorstellung von Gott als Vater, wie sie schon die Hebräische Bibel kennt, wurzelt in der vorexilischen, judäischen Königsideologie. Gott galt als Vater des davidischen Königs. In der Nathanweissagung, im Zweiten Samuelbuch, hat sich diese Vorstellung dann mit der Zusage der ewigen Treue Gottes zum davidischen Königshaus verbunden. Das definitive Ende der davidischen Herrschaft im Königreich Judäa durch das Babylonische Exil stellte diese Aussage grundlegend in Frage: Land und Thron waren verloren.Die Theologen
Der Grazer emeritierte Bischof Egon Kapellari und ich trafen vergangene Woche im Wiener Schottenstift zusammen. Auf Einladung des Dr. Karl-Kummer-Instituts ging es auch darum, an 50 Jahre "Nostra Aetate" zu erinnern, jener Erklärung des II. Vatikanums, die von Kardinal König maßgeblich beeinflusst worden war und zu einer Annäherung von Juden und Katholiken geführt hat. Die Formulierung einer neuen Karfreitagsfürbitte für den außerordentlichen Messritus durch Benedikt XVI. hatte 2008 zur erheblichen Eintrübung dieser Beziehungen geführt. Dort heißt es: "Lasst uns auch beten für die
Im Feber bestätigte Wiens IKG-Präsident Oskar Deutsch gegenüber dem Kurier, dass es in der jüdischen Gemeinschaft Österreichs durchaus heftige Debatten gebe, ob Österreichs Juden in diesem Land eine Zukunft sehen oder lieber auswandern sollten. Daraufhin versicherte Kanzler Werner Faymann Österreichs Juden "den Schutz des Staates" und hob ihren "wichtigen Beitrag für das Land" hervor. Ähnliches war auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu hören: "Merkel sichert Juden in Deutschland Schutz zu" (Süddeutsche) oder "Merkel möchte Juden in Deutschland halten"(Die Zeit), das waren die
Ende Jänner kam er langsam, der Dank derer, denen ich einen Monat zuvor in Budapest meine Neujahrswünsche per Luftpost auf den Weg gebracht hatte. In die USA hatte die Postlaufzeit vier ganze Wochen betragen, nach Berlin und Wien immerhin drei. Da erinnert man sich, dass der amerikanische Nobelpreisträger Edward Prescott die Qualität des Postbetriebs einmal in direkten Bezug zur Leistungsfähigkeit eines Staates gestellt hat. Dabei sei egal, ob die Post privatwirtschaftlich oder staatlich organisiert sei. Effizienz wurde dabei in Anlehnung an Max Weber definiert: werden Beschäftigte
Sie haben einander nicht persönlich gekannt. Als der große evangelische Kirchengeschichtler Adolf von Harnack vor 85 Jahren starb, schrieb Rabbiner Leo Baeck an dessen Witwe: "Auch wir dürfen ihn Lehrer und Meister nennen." Aus diesem Schreiben spricht Wertschätzung, aber wirklich begegnet sind sich die beiden nicht. Harnack sprengt den dogmatischen Panzer und zeichnet ein neues Bild des Christentums: individualistisch, undogmatisch, schöpferisch, reformerisch. Und damit sich dieses aufgeklärte Christentum leuchtend abhebt, benötigt Harnack das Bild eines erstarrten, pharisäischen
Im Idealfall ist die Ehe ein Bund fürs Leben: "Ein Weib gefunden - Glück gefunden und Huld erlangt vom Ewigen" (Spr 18,22). Deshalb sieht der Talmud Scheidung als Tragödie an: "Der Altar selbst vergießt Tränen, wenn ein Mann sich vom Weib seiner Jugend trennt." Die ausführlichste Regelung zur Scheidung in der Tora steht in Deuteronomium 24: "Wenn jemand eine Frau nimmt und sie ehelicht, sie verliert aber nachher seine Gunst, indem er etwas Schändliches ('erwat dawar) an ihr wahrgenommen hat, er ihr einen Scheidebrief schreibt, ihr in die Hand gibt und sie aus seinem Haus lässt, sie
Die jüdische Auseinandersetzung mit der christlichen Theologie ist sehr oft auf das protestantische Denken bezogen. Die Beschäftigung mit der "Alten Kirche" fällt weit weniger intensiv aus. Und doch findet sich eine gedankliche Auseinandersetzung bei Leo Baeck, die in der Einsicht mündet, dass es dem katholischen Denken gelungen sei, den paulinischen Einfluss in der Kirche abzuschwächen.Nach Baeck bedurfte dafür die Alte Kirche der Hebräischen Bibel und seines Sittengesetzes. In seinem Aufsatz "Judentum in der Kirche" von 1925 beschreibt er, wie die katholische Kirche dementsprechend
In der Hebräischen Bibel findet sich zwar kein ausdrückliches Gebot zum Gebet, dafür gibt es aber zahlreiche Beispiele leidenschaftlichen Gebets - bei Jona, Hiob, Jeremia und Habakuk, bei den Psalmisten und bei vielen anderen Propheten. Seit der Zeit des Zweiten Tempels haben sich feste Gebetszeiten und Gebetsformeln ausgeprägt, die für Juden und Jüdinnen weltweit verbindlich sind. Viele dieser Pflichtgebete finden sich bereits in der Mischna und im Talmud. Individuelle Gebete ergänzen das Gebet in der Gemeinschaft und die Segenssprüche.Mose selbst gibt Beispiele dafür, dass auch ein
Sonntag in der Universitätsstadt Lund. Man beschließt, den Gottesdienst im ältesten Dom Skandinaviens zu besuchen. Der Eucharistiefeier steht eine Frau vor, würdig im roten Messgewand, neben ihr eine Diakonin. Die Kirche von Schweden versteht sich als Teil der katholischen und apostolischen Kirche. Ihre Bischöfe stehen in der apostolischen Sukzession. So ansprechend hatte die Zelebrantin der Messe vorgestanden, dass ich recherchiere, wer sie wohl war. Lund hatte bis eben eine Bischöfin; Antje Jackelén ist jedoch seit Juni 2014 die Erzbischöfin von Schweden. Sie hatte in Lund bereits
Die Definition dessen, was der Terminus "Religion" zu einer bestimmten Zeit für eine bestimmte Glaubensrichtung bedeutet, hängt grundsätzlich stark von dem gesellschaftlichen Klima ab, in dem sich diese theologische Aufgabe stellt: Es gibt eine Interaktion zwischen "Gesellschaft" und "Religion". Dementsprechend war auch die jüdische Theologie in hohem Maße von ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Umfeld bestimmt, in dem sie als Fremde ihr ureigenes Sein zu entfalten suchte.Dabei zeigt sich, wie gerade in Zeiten offenen kulturellen Austausches auf jüdischer Seite ganz bewusst Gehalt und
Am 28. Mai beginnt der Katholikentag in Regensburg. Er wird auch Rückschau halten auf die Erklärung "Nostra Aetate", die 2015 fünfzig Jahre alt wird. Nach 1945 war eine beispiellose Annäherung zwischen Katholischer Kirche und dem Judentum möglich, getragen von dem Bemühen der Kirche, "Gottes erste Liebe" (Friedrich Heer) anzuerkennen und auf eigene Spurensuche zu gehen. Das Pontifikat Benedikts XVI. hatte dagegen Irritationen ausgelöst. Für den links-charismatischen US-Rabbiner Michael Lerner war Benedikt XVI. ein "rabiater Reaktionär", Anführer jener Kräfte, die die freiheitlichen
So wie Gott den guten Trieb schuf, so schuf er auch den bösen Trieb, damit die Menschen die Möglichkeit und die Verantwortung haben, zwischen beiden zu wählen. Ein oder zwei Belege für die Vorstellung finden sich in der jüdischen Literatur der römischhellenistischen Zeit, zum Beispiel wenn Sirach sagt: "Er hat am Anfang den Menschen erschaffen und ihn der Macht der eigenen Entscheidung überlassen". Im hebräischen Text des Sirach-Buches steht für "Entscheidung" jetzer, im Griechischen: diabole "Verleumdung" - von dem selben Wort stammt diabolos "der Verleumder", der im Christentum die
Wollen wir mit unserem freien Willen immer das wählen, was gut ist? Darüber wenigstens war das Judentum durch alle Jahrhunderte hindurch klar und konsistent: Das Gute in uns ist die Folge davon, dass wir im Bilde Gottes geschaffen wurden. Gott, so sagt das erste Kapitel der Genesis, habe Adam geschaffen, im Bilde Gottes (1,27, vgl. 5,1). Und einer der größten Rabbinen, Rabbi Akiwa, merkt an: "Geliebt ist der Mensch, denn er wurde nach Gottes Bild erschaffen. Größere Liebe war es, dass ihm mitgeteilt wurde, dass er nach Gottes Bild erschaffen wurde.“ Diese Lehre ist für das jüdische
Noch nie waren Jüdinnen und Juden so beliebt wie heute! Wie komme ich denn darauf? Der Angriff prorussischer Kräfte auf die liberale Synagoge in der Hauptstadt der Krim letzte Woche und die Drangsalierungen der jüdischen Gemeinschaft Ungarns durch ihre rechtsnationale Regierung vor den Wahlen legen eigentlich den Schluss nahe, der Hass auf Juden sei wieder auf dem Vormarsch in Europa. Gleichzeitig legen Zahlen aus den USA, die das Pew Research Center veröffentlicht hat, aber das genaue Gegenteil nahe. Lässt man die Minderheit orthodoxer Juden außer Acht, dann heiraten heute 71,5 Prozent
Ist der "Messias“ im Judentum eigentlich noch eine zentrale Vorstellung? "Ich glaube mit vollkommenem Glauben an das Kommen des Messias, und wenn er auch zögert, so harre ich doch jeglichen Tages seines Kommens“, lautet der 12. Glaubensartikel des Maimonides (1135-1204), bei dem es um die Rückkehr der Juden in ihr Land Israel geht.Schon die Rabbinen formulierten im Talmud aber eine kollektive Mitwirkungsmöglichkeit: Der Messias werde kommen, wenn ganz Israel zwei- oder auch nur einmal einen Schabbat halte oder ihn aber kollektiv entweihe. Hier steht der Erlösungsgedanke als Utopie im
Seit dem Jahr 2000 feiern alle Kirchen in Österreich jeweils am 17. Jänner den "Tag des Judentums" als Lehr-und Lerntag für die Kirchen. Die Initiative dafür geht auf die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung 1997 in Graz zurück. Es ist der Tag vor der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen. Vor aller Verschiedenheit der Kirchen steht damit die Erinnerung an die Verwurzelung des Christentums im Judentum und die geschwisterliche Gemeinschaft mit dem Volk Israel. Am 27. Jänner begeht Deutschland den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, der 1996 von
Im Judentum ist das Gemeinschaftsmoment wesentlich: sei es Religions- oder Schicksalsgemeinschaft. Rabbi Hillel lehrte: "Sondere Dich nicht von der Gemeinde ab und glaube nicht für Dich allein“. Gemeinschaft aber braucht Merkzeichen. Sie stellen das erkennbar Bleibende dar, das ein Gotteserlebnis an das andere knüpft. Darum würde jüdisches Gemeindegebet aufhören, jüdisch zu sein, wenn der Gottesdienst von morgen vollkommen anders wäre als der Gottesdienst von heute, von gestern, von vor hundert oder von vor tausend Jahren. Es wäre ein Einbruch in das "kollektive Gedächtnis“ des
Bei den Novemberpogromen 1938 starben mehr als 1300 Menschen; mehr als 1400 Synagogen und Beträume wurden verwüstet und etwa 7500 Geschäfte geplündert. Mehr als 30.000 männliche Juden wurden in Konzentrationslager gebracht. Zum 75. Jahrestag finden zwei internationale Treffen von Rabbinern in Berlin statt. Im Mittelpunkt steht das Gedenken an die Pogrome. Erstmals will die orthodoxe Konferenz Europäischer Rabbiner (CER) ihre Mitgliederversammlung in der deutschen Hauptstadt abhalten. Seit Dienstag befindet sich auch eine Delegation der liberalen "Central Conference of American Rabbis
Am 12. Oktober gedenkt man in der Münchener Universität des Widerstands der "Weißen Rose" gegen Adolf Hitler. Dabei werden auch Werke von Richard Wagner gespielt. Nicht alle erfreut das. "Euphorie und Unbehagen" sind die richtigen Begriffe, um die Reaktionen auf diesen genialen Komponisten und Antisemiten mit der bizarren Ideologie zu beschreiben. Das ist auch die Überschrift, unter der im Jüdisches Museum Wien bis 16. März 2014 den Ansichten des Bayreuther Meisters nachgegangen wird.Klar ist: bei Wagners Judenhass handelt es sich nicht um einen kleinen Denkunfall. Er selbst hat sein
Als wir Anfang September das jüdische Neujahr feierten, war das kein Fest ausgelassener Freude. Rosch Haschana ist eine Zeit der Einkehr. Wenn Juden sich in den zehn Bußtagen zwischen Neujahr und dem Versöhnungstag Jom Kippur treffen, grüßen sie sich mit den Worten: "Zu einem guten Jahr mögest du eingeschrieben und besiegelt werden.“ Diese Grußformel geht auf ein Gebet zurück: "Gedenke unser zum Leben, König, der Du am Leben Wohlgefallen hast; und schreibe uns ein in das Buch des Lebens.“Diesen Freitagabend beginnt nun wieder Jom Kippur, der bis zum Sonnenuntergang des
Amerikas christliche Rechte hat einen neuen islamistischen Terrorangriff aufgedeckt. Diesmal geht es nicht um einen Bombenanschlag, sondern um einen geistigen Angriff. Reza Aslan, ein iranischer Flüchtling, hat ein Buch über die historische Gestalt Jesu verfasst. Als Teenager selbst evangelikal engagiert, wandte er sich in seiner Studienzeit wieder dem Islam zu. Jetzt ist er promovierter Religionssoziologe und schreibt über Jesus. Aslans Jesusbild ist nicht ganz so, wie es die Kirchen überliefern. Denn "Zealot" zeigt einen Eiferer für Gott. Es steht unter dem Wort aus dem
Einer meiner liebsten Lehrer am Londoner Rabbinerseminar war Rabbiner Lionel Blue. Er war bekannt, weit über die jüdischen Gemeinden Englands hinaus. Denn er hatte über dreißig Jahre lang eine eigene Sendung - "Gedanken für den Tag“ im Radio, und seine Bücher über jüdische Spiritualität und jüdische Wege zu Gott waren die sprichwörtlichen warmen Semmeln, so gut verkauften sie sich. Hundertausende von Menschen fühlten, dass sie von Lionel Blue lernen konnten, ihr Leben zu meistern und Gott nahe zu sein. Lionel Blue, der heute Anfang achtzig ist, hat dem Judentum ein kluges,
Das Judentum hat viele Gesichter. Im Diaspora-Museum in Tel Aviv hing lange Zeit eine Fotowand mit Porträts von Juden unterschiedlicher Herkunft: Rothaarige, blonde und mediterrane Typen fanden sich neben indischen und schwarzhäutigen äthiopischen Juden. Die israelische Gesellschaft ist ein Spiegelbild dieser ethnischen und kulturellen Vielfalt: In Israel sind Juden aus mehr als 120 Herkunftsländern zu Hause. Juden und Jüdinnen in aller Welt sind Angehörige eines Kollektivs, in dessen Wesen die Verschränkung des Ethnisch-Nationalen mit dem Ethisch-Religiösen zum Ausdruck kommt, wie es
Das Judentum als solches hat sich zu allen Zeiten verändert und fortentwickelt: es hat den Glauben der Erzväter und Erzmütter mit der Lehre vom Sinai in Einklang gebracht, mit dem Idealismus der Propheten, mit den pragmatischen Einzelentscheidungen der Rabbinen. Dies zeigt sich vor allem in der talmudischen Zeit, in der halachische Prinzipien lebhaft diskutiert und kritisch geprüft wurden.Bräuche, die nicht mehr durchführbar waren, wurden durch die Rabbinen erfolgreich abgeschafft, aber auch durch einen Interpretationsprozess, der dem Wortsinn des Tora-Textes andere Bedeutungen verlieh.
Europa, wie wir es heute kennen, ist das Ergebnis einer langen Entwicklung von Pluralisierung. In der Reformation wurde die eine allumfassende christliche Kirche durch zwei Kirchen ersetzt. Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 durch Ludwig XIV. folgte ein Exodus von rund 500.000 Hugenotten aus Frankreich, der in ganz Europa hitzige Debatten über religiöse Toleranz und Religionsfreiheit auslöste. Viele von ihnen, wie auch die 20.000 Salzburger Exulanten von 1731, fanden Zuflucht beim König von Preußen oder in den Niederlanden. Großer wirtschaftlicher Aufschwung war die Folge.
Martin Luther war nach anfänglicher Sympathie für die Juden zum Urheber schlimmer antisemitischer Hetze geworden. Fragt sich, was Juden mit der Lutherdekade anfangen, die seit 2008 auf den 500. Geburtstag des Reformators zuläuft.Es wird überraschen, dass Martin Luther in jüdischer Rezeption seit dem 19. Jahrhundert zum Symbol geistiger Freiheit wurde. Jüdische Reformer wie Saul Ascher (1767-1822) begriffen ihn als Wegbereiter für Emanzipation und Erneuerung des Judentums. Die jüdische Luther-Verehrung erinnert damit sehr an die Begeisterung für Friedrich Schiller.Leopold Zunz
Thema Interreligiöser Dialog"Wir sind Erben einer langen Geschichte von gegenseitiger Verachtung unter den Religionen und Konfessionen, von religiösem Zwang, Streit und Verfolgung“, charakterisierte der jüdische Religionsphilosoph Abraham Joshua Heschel (1907-72) das Verhältnis der Religionen. Allein schon durch die Hebräische Bibel und den Juden Jesus von Nazareth sind Judentum und Christentum unlösbar miteinander verbunden.Die Abgrenzung erfolgte von beiden Seiten: Mit dem Entstehen des Christentums, das zeitlich mit der Zerstörung des Zweiten Tempels verbunden ist, formierte sich
Ich sitze im Schatten der Bäume des Rothschild-Boulevards in Tel Aviv und blicke auf das Mann-Auditorium, als ich erfahre: Papst Benedikt XVI. zurückgetreten. Bilder tauchen vor meinem geistigen Auge auf, wie ich Joseph Ratzinger 2005 erstmals traf. Wenige Wochen vor dem Tod Johannes Pauls II. begegnete mir in der Glaubenskongregation ein würdiger und freundlicher Herr, der die guten Beziehungen zum Judentum bewahren wollte. Ihm war bewusst, dass er die Kraft dafür nicht aus seiner Biographie aufbringen könne, wie dies Karol Wojtyla gegeben war. Aber ich meinte zu spüren: Er fühlte die
Gott und die frauenIn den USA machen Frauen heute bereits mehr als 50 Prozent der Studierenden an Rabbinerseminaren aus. Der Anfang dieser Entwicklung geht viele Jahrzehnte zurück. 1928 predigte zum ersten Mal eine Frau in Deutschland: Lily Montagu auf der Kanzel des Reformtempels in der Berliner Johannisstraße. Sie bemerkte, dass es höchste Zeit sei, dass die jüdischen Frauen von den Galerien der Synagogen heruntersteigen.Regina Jonas sollte die Frau werden, die diesen Ruf beantwortete. Eine Ordination durch die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin war ihr jedoch
Freiheit für/von Religion?Dieser Sommer im Salzkammergut war nicht einfach. Jeden Morgen wartete die österreichische Presse mit einer weiteren Philippika zur rituellen Beschneidung auf. Die Jakobiner der veröffentlichten Vernunft machten sich über ein Thema her, das in Österreich rechtlich gar nicht relevant war. Das Urteil eines Kölner Gerichts erhitzte die Gemüter der Redakteure und selbsternannten Experten, so als ob deutsche Gerichtsurteile seit 1945 irgendwelche rechtliche Folgen in der Zweiten Republik nach sich zögen.Wie konnte es zu einer so spürbaren Entfremdung zwischen
Thema: Jerusalem"Wo immer der Jude lebt, dieser Staat Israel geht ihn an, ja wirkt auf ihn ein, ob es will oder nicht, und bedeutet für ihn ein geschichtliches Schicksal“, schrieb Rabbiner Leo Baeck, der bedeutendste Repräsentant des deutschen Judentum im 20. Jahrhundert, nach seinem Israel-Besuch im Jahr 1951. Die Hoffnung auf Erlösung ist in der jüdischen Tradition unmittelbar mit Zion verbunden, also mit der Stadt Jerusalem."Wenn ich dich vergesse, Jerusalem, so möge meine Rechte verdorren“, heißt es in den Psalmen, und wir richten uns beim Gebet immer nach Jerusalem aus, wo sich
D ie Bibel ist Gottes Gabe an die Menschheit; das Gebetbuch unser Gegengeschenk an Gott. In seinen Entwicklungen und Veränderungen durch die Geschichte ist es auch eine Autobiografie des Volkes Israel und seiner Beziehung mit Gott. Zentral ist das Achtzehnbittengebet. Darin wird um das gebeten, was von allgemeiner Bedeutung ist. Wir beten "Gepriesen seiest Du, Herr unser Gott, der Gebete erhört.“Stoßgebete z. B. bei schlechten Nachrichten gelten allerdings als anstößig, denn dann ist es ja schon etwas passiert. Auch eigennützige Bitten um Erfolg sind verpönt. Stoßgebete sind Glaube
Staat und Religiöse ToleranzSeit Wochen gehen in den diplomatischen Vertretungen Österreichs und bei Bundesministerin Claudia Schmied Protestschreiben zum neuen Israelitengesetz ein, das am 3. Mai den Bundesrat passiert hat. Die Zentralkonferenz amerikanischer Rabbiner mit ihren 2000 Mitgliedern gehört ebenso zu den Kritikern, wie die konservative Rabbinerversammlung Europas, die Allgemeine Rabbinerkonferenz des Zentralrats der Juden in Deutschland, die liberalen jüdischen Gemeinden von den Niederlanden bis Südafrika, von Großbritannien und Frankreich bis Australien und die
Staat und religiöse ToleranzDas Toleranzpatent Josefs II. war 1781 Österreich Einstieg in die religiöse Toleranz. Jetzt will die Republik das orthodoxe Judentum zur einzig autoritativen Bekenntnisrichtung innerhalb der jüdischen Gemeinschaft machen und damit staatlicherseits den Gleichheitsgrundsatz ebenso verletzen wie die religiöse Neutralität. Das Israelitengesetz von 1890 regelte das Verhältnis der Doppelmonarchie mit der Israelitischen Religionsgesellschaft. Es ist gut möglich, dass nach 120 Jahren ein Bundesgesetz sinnvoll ist, das die Beziehungen der Republik Österreich zum
Religionen und kapitalismusMosche Chaim Luzzatto lehrte im 18. Jahrhundert: "Das Verlangen nach Geld bindet den Menschen mit irdischen Fesseln und legt die Stricke der Fronarbeit um seine Arme. Wie die Schrift sagt: ‚Wer das Geld liebt, wird am Geld nie satt‘ (Dtn 30,13).“ Vor der Aufklärung war das ökonomische Denken stark mit Lehren ethischer oder religiöser Herkunft durchsetzt. Wirtschaftliche Vorgänge wurden durch Begriffe der persönlichen Lebensführung definiert. Adam Smith und John Stuart Mill waren ihrem Selbstverständnis nach in erster Linie Moralphilosophen gewesen und
GenerationengerechtigkeitDie Folgen der Finanzkrise seit 2008 werden uns noch lange beschäftigen. Die Sicherheit der nach 1945 Geborenen scheint einer Vielzahl komplexer Risiken gewichen zu sein, mit denen sich unsere Kinder und Kindeskinder werden auseinandersetzen müssen. Zu Recht wird die Frage gestellt, ob das Geschäftsgebaren im Finanzsektor ethischen Maßstäben immer gerecht wurde. Wie ist etwa die Verbriefung wenig werthaltiger Hypothekendarlehen zu beurteilen, die Banken auf dem Kapitalmarkt platziert haben? Ist der Weiterverkauf dieser Forderungen etwa nicht als genevat da’at zu
Nach der Bibel (Gen 17, 9-13) ist die Beschneidung das Bundeszeichen zwischen Gott und dem jüdischen Volk: die Konsekration der Nachkommen Abrahams dem Gott Abrahams. Was passiert, wenn bei männlichen Juden das Bundeszeichen fehlt, also die Beschneidung bei Lebzeiten gar nicht durchgeführt wurde? Fällt bei der Waschung eines männlichen jüdischen Leichnams auf, dass dieser nicht beschnitten ist, so soll sogar dann noch die Beschneidung nachgeholt werden. Sie ist also so wesentlich, dass sie auch noch nach dem Ableben erfolgen soll. Ist es aber dann einem unbeschnittenen Jungen erlaubt,
I m Talmud (Sanhedrin 105 a) vertritt Rabbi Joschua die Ansicht, dass alle rechtschaffenen Menschen - Juden und Nichtjuden - Anteil an der kommenden Welt haben. Dem folgt 1180 in der Mischne Tora der jüdische Religionsphilosoph Moses Maimonides, für den moralische Normen nicht auf irgendeiner Offenbarung beruhen, sondern vernunftmäßig erschließbar sind. In der Lehre über die noachidischen Gebote ist strittig, ob zu den Minimalanforderungen der Rechtschaffenheit die Anerkennung Gottes gehört, oder nicht. Jedenfalls findet sich in der rabbinischen Tradition, dass Gott dem Menschen
Es gibt eine traditionelle Einheit zwischen dem Gott Israels, dem Volk und dem Land Israel. Deswegen die Regel, dass das Wohnen im Land alle anderen Gebote aufwiegt. Denn für orthodoxe Juden ist das Halten der 613 Ge- und Verbote eng mit dem Land Israel verknüpft. Sehr viele dieser Ge- und Verbote lassen sich nur dort richtig halten. Tatsache ist aber auch: jüdische Erfahrung bewegt sich längst elliptisch zwischen zwei Polen. Der eine ist das Land und der Staat Israel, und der andere ist die Diaspora. Das hat schon mit dem babylonischen Exil im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung
ZeitgesprächIst ein Landschaftsgemälde von Max Liebermann jüdische Kunst? Das fragte sich schon die Grande Dame jüdischer Kunstgeschichte, Hannelore Künzl. Die Nazis gaben die Antwort, als sie den führenden deutschen Maler seiner Zeit und langjährigen Präsidenten der Preußischen Akademie der Künste nach 1933 totschwiegen. Sie machten Liebermann zum jüdischen Künstler und seine Kunst zu jüdischer Kunst.Aber schon Ende 1878 deckte der Skandal um Liebermanns Bild "Der zwölfjährige Jesus im Tempel“ die Grenzen auf, die einem Künstler mit jüdischer Herkunft gesteckt waren. Im
Einst fragte der böse römische Statthalter Tineius Rufus den Rabbi Akiba: "Wessen Werke sind eigentlich schöner, die Werke Gottes oder die Werke der Menschen?“ Rabbi Akiba antwortete: "Die Werke der Menschen!“ Auf diese Antwort war der Statthalter natürlich nicht gefasst, und er erwiderte: "Kannst du so etwas wie Himmel und Erde machen?“ Darauf Akiba: "Komm mir doch nicht mit Sachen, die außerhalb der menschlichen Macht liegen, sondern sprechen wir über etwas, das es unter den Menschen gibt.“ Rabbi Akiba ließ nun Ähren vom Feld und ansehnliche Brote aus der Bäckerei holen. Er
Im alten Israel war rituelle Reinheit wichtig für das "heilig" sein. Den Priestern waren besondere Regeln dafür auferlegt. Sie umfassten auch die Ehe. In Levitikus finden wir: "Sie sollen ihrem Gott heilig (kadosch) sein und den Namen ihres Gottes nicht entweihen. Denn sie sind Personen, welche die Feueropfer des Ewigen, die Opferspeise ihres Gottes, darbringen … Keine Hure, keine entweihte Person sollen sie heiraten, auch keine Frau, die von ihrem Mann verstoßen worden ist …".Damit waren für Priester einige Verbindungen tabu, und im rabbinischen Judentum weitete sich das Ideal zur
Das Gewissen in der Perspektive des Judentums: Nach biblischer Auffassung kann jeder Mensch, unabhängig von seiner Religion, auf diskursivem Weg zu philosophisch-theologischen Erkenntnissen gelangen. Und wer immer sich ethisch verhält, hat Anteil an der kommenden Welt.Durch alle Jahrhunderte hindurch war das Judentum klar und konsistent: Das Gute in uns ist die Folge davon, dass wir im Bilde Gottes geschaffen wurden. Gott, so sagt das erste Kapitel der Genesis, habe Adam geschaffen, im Bilde Gottes (1,27, vgl. 5,1). Und einer der größten Rabbinen, Rabbi Akiwa, merkt an (Pirke Awot
Das Judentum betrachtet die Taten eines Menschen als wichtigsten Ausdruck religiösen Lebens und legt auf sie mehr Wert als auf Glaubensbekenntnisse. Aufgabe des jüdischen Volkes ist es, aus seiner Beziehung mit Gott heraus seinem ethischen Anspruch universale Geltung zu verleihen. Daher unser Engagement für soziale Gerechtigkeit und Freiheit aller Menschen. Das Judentum fordert das Ende von Ausbeutung und Tyrannei, Armut und Vorurteil, menschlichem Leiden und Ungleichheit. Seit der Emanzipation haben sich Rabbiner und Laien deshalb für staatsbürgerliche Rechte eingesetzt, für die
Das Judentum ist eine Religion des Gebots. Aus der Halacha, dem Jüdischen Recht, erwächst die Motivation sowohl für das persönliche wie für das kollektive Verhalten. Das Wort halacha kommt von dem hebräischen Verb halach (gehen). Die Halacha ist demnach "der zu gehende Weg". Ihre Wurzeln reichen zurück bis zur Hebräischen Bibel. Durch einen sich über Jahrtausende erstreckenden Interpretationsprozess hat sich das Jüdische Recht weiterentwickelt, um stets aufs Neue den Bedürfnissen der jüdischen Gemeinschaft in der jeweiligen Gegenwart gerecht zu werden. Deshalb ist jeder Versuch,
Rabbiner Kaufmann Kohler lehrte: "Das Judentum hat keine abgeschlossene Wahrheit. Das Christentum und der Islam bilden einen Teil der Geschichte des Judentums. Zwischen diesen Weltreligionen nun steht das kleine Judentum als kosmopolitischer Faktor und weist auf jene ideale Zukunft einer in Gott wahrhaft vereinten Menschheit hin."Welchen Begriff von "Wahrheit" vertritt dann das Judentum eigentlich? Schauen wir in den Talmud: "Drei Jahre stritten die Schule Schammais und die Schule Hillels: Jede meinte, das Religionsgesetz sei nach ihr zu entscheiden. Da sprach Gott: Die Worte der einen wie der
Lang her scheint die Zeit, als der CSU-Parteivorsitzende Erwin Huber seinen deutschen Mitbürgern davon abriet, weiter Österreicherwitze zu erzählen. Jeden Tag schien ein anderes bayerisches Unternehmen nach Österreich abzuwandern. Für den deutschen Fernsehzuschauer häuften sich die bangen Momente, in denen er Gastarbeitern aus Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern zusehen konnte, wie sie sich in Österreichs Fremdenverkehrswirtschaft verdingten. Sie ging zu Ende, diese Zeit, wo der Piefke sich ganz ungewohnt hinter Österreichs Erfolgen verstecken musste. Effizienz im Inneren und Ansehen in
Radovan Karadžic ist enttarnt worden - trotz eines mächtigen Barts. In diesen Tagen kann sich der Chefankläger des Kriegsverbrechertribunals Serge Brammertz darauf einrichten, dass Belgrad Karadžic nach Den Haag ausliefern wird. Serbiens Zeitungen sind voller Vermutungen, wie er so lange hatte untertauchen können.Vielleicht wäre Österreich ein besseres Versteck gewesen. Dort konnte ein von Interpol gesuchter Menschenschinder wie Milivoj Ašner in aller Seelenruhe über die Fanmeile von Klagenfurt spazieren, um gemeinsam mit kroatischen Fans die Euro 2008 zu genießen. Ašner war
Seit dem 28. Juni 2008 läuft das Paulusjahr. Nach Wunsch von Benedikt XVI. soll es zur Beschäftigung mit diesem Paulus von Tarsus einladen: dem Pharisäer, der zum Völkerapostel wurde. Der Glaube des Paulus war der Glaube Israels: Gott hat sich den Vätern offenbart, hat seinem Bundesvolk durch Mose die Tora gegeben, hat durch die Propheten Israel oft genug zurechtgewiesen. Unverrückbar die Zusage: Er wird sein Volk niemals verstoßen, sondern erlösen. Die Hoffnung Israels war auch die Hoffnung des Paulus: auf baldige Ankunft des Messias. In der christlichen Urgemeinde wird daraus die
"Wo immer der Jude lebt, dieser Staat Israel geht ihn an, ja wirkt auf ihn ein, ob er es will oder nicht, und bedeutet für ihn ein geschichtliches Schicksal", schrieb Rabbiner Leo Baeck, der bedeutendste Repräsentant des deutschen Judentum im 20. Jahrhundert, nach seinem Israel-Besuch im Jahr 1951. Die Hoffnung auf Erlösung ist in der jüdischen Tradition unmittelbar mit Zion verbunden, also mit der Stadt Jerusalem. "Wenn ich dich vergesse, Jerusalem, so möge meine Rechte verdorren", heißt es in den Psalmen, und wir Juden richten uns beim Gebet immer nach Jerusalem aus, wo sich bis zum
Ein besonderes Land feiert dieser Tage sein 60-jähriges Bestehens. Am 14. Mai 1948 verlas David Ben-Gurion die Unabhängigkeitserklärung Israels übers Radio. Am selben Tag endete das Völkerrechtsmandat der Briten über Palästina.Die Vision einer Heimstatt für alle Juden in der Welt nahm schon auf dem Ersten Zionistenkongress 1897 Gestalt an. Der Wiener Journalist Theodor Herzl hatte sie 1896 in seinem Buch "Der Judenstaat" skizziert. Unter dem Eindruck der Affäre Dreyfus in Frankreich war ihm klar geworden, dass Juden einen Nationalstaat bräuchten, weil ihnen andere Länder stets die
Kennen Sie Helmut Wobisch? Sie wohnen vielleicht sogar am Helmut-Wobisch-Weg oder in der Wobisch-Straße? Auch ein Helmut-Wobisch-Gedächtniswettbewerb hält das Andenken an diesen Trompeter, Gründer und Leiter des Carinthischen Sommers wach, dessen Wirken in der II. Republik mit Ehrentitel (Professor 1958) und Großem Ehrenzeichen (1967) gewürdigt wurden. Doch wer kennt schon die dunkle Seite? Jetzt dokumentiert sie die Ausstellung der Wiener Staatsoper zum Anschluss 1938. Opfer und Täter werden in einen räumlichen Zusammenhang gestellt, wie er beklemmender nicht sein könnte. Auch da
Der Schauspieler Karl Merkatz hat ihn treffend verkörpert: den aufrechten Österreicher. Als "Bockerer" in der Filmreihe von Franz Antel spielt er die Rolle des Wiener Fleischhauers, der beim Anschluss an das Dritte Reich eine besonders verschmitzte, liebenswerte und doch nicht gefahrlose Form des Widerstands an den Tag legt. Gerne erkennen sich Herr und Frau Österreicher in diesem Charakter wieder: als von den Deutschen überrannte Nation, die aber Wege fand, sich der vollen Wucht des Nationalsozialismus zu entziehen.Wer die Geschichte kennt, weiß es besser. Vor allem die eigentlichen
Ungläubig liest man die Verfügung des Papstes, mit der er soeben die Karfreitagsbitte für die Juden im Missale Romanum von 1962 verändert hat. Die Begriffe "treulos" bzw. "Unglaube" waren schon früher gestrichen worden. Gerade nach dem Motu proprio vom Juli 2007 und der Freigabe des alten Messritus als "außerordentliche Form" hatten aber weltweit Vertreter des Judentums eine Abänderung dieses Gebets gefordert. Auch viele christliche Organisationen baten um Klärung: dass der Bund Gottes mit seinem Volk Israel Bestand hat ohne Jesus. Das Hin und Her, ob und wie künftig am Karfreitag
Die Technik bietet immer neue Möglichkeiten. Besser erreichbar zu sein, überall und zu jeder Zeit. Das ist toll. Da will man den Anschluss nicht verlieren. Aber manchmal überfordert es uns auch. Alles scheint heute immer schneller zu gehen. Und haben wir nicht bereits Mühe, alle Bälle aufzufangen, die man uns zuwirft? Allerdings kein modernes Problem. Der Mensch hat sich und seine Geschäftigkeit schon früher hinterfragt.Mosche Chajim Luzzatto, ein jüdischer Gelehrter des 18. Jahrhunderts, stellte seine eigenen Überlegungen zur Unrast der Menschen an. "Wie ein Pferd, das unaufhaltsam
In seiner am 30. November erschienen zweiten Enzyklika will Papst Benedikt XVI. Zukunftsangst vertreiben. Hoffnung soll entstehen, wo Beklemmung herrscht. Doch in seiner Kritik an den Erträgen der Aufklärung schafft Joseph Ratzinger eher Beklemmung. Zumindest bei all denen, deren Menschenbild davon ausgeht, dass wir Menschen diese Welt verändern können und müssen. So glauben Juden, dass Gott uns den Auftrag gegeben hat, die Welt zu heilen, und die Vernunft, dies auch ausführen zu können. Das ist die sittliche Aufgabe des Menschen. Und Gott traut sie ihm zu.Die Enzyklika "Spe Salvi"
Der Hamburger Bundesparteitag der Sozialdemokraten Deutschlands brachte einige unerwartete Themen in die allgemeine Diskussion: Das Nein zur Bahnprivatisierung, die Forderung nach einheitlichen Mindestlöhnen und nach Tempo 130 auf Autobahnen sowie der Rückbezug auf den "demokratischen Sozialismus" waren besonders spektakulär.Weitgehend unkommentiert blieb die Rückbindung der Sozialdemokratischen Partei an ihre jüdischen Wurzeln im brandneuen Parteiprogramm. Damit stellt sich die Sozialdemokratie Deutschlands in die Nachfolge der biblischen Propheten und ihrer sozialen Botschaft und beruft
Vor Jahren war ich Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland. Schon damals setzten sich Tierschützer dafür ein, das religiöse Schlachten von Tieren gesetzlich zu verbieten. Als Rabbiner an der Spitze eines Umweltverbandes stand ich unter Beschuss. Seit 2002 hat Tierschutz in Deutschland nun Verfassungsrang. Mitte August starteten deshalb zwei Bundesländer eine Initiative zur Änderung des Tierschutzgesetzes. Ihr Ziel: eine Restriktion für Schlachten ohne Betäubung aus religiösen Gründen.Schächten ist immer schon ein Thema gewesen, das für antijüdische Ressentiments und
Diese Woche feiern wir das jüdische Neujahr, Rosch Haschana. Kein Freudenfest mit Feuerwerk und Tanz, sondern Auftakt für die zehn Tage der Umkehr hin zum Versöhnungstag, Jom Kippur. Es ist wohl allen Juden ein Bedürfnis, sich dieser Tage auszusprechen, offene Rechnungen zu begleichen, sich beim Nächsten zu entschuldigen. Denn Juden glauben, wir können mit Gott nur dann ins Reine kommen, wenn wir zuvor auch untereinander alle Versäumnisse von Mensch zu Mensch ausgeräumt haben.Der Präsident des Reformjudentums in den USA, Rabbiner Eric Yoffie, hat jetzt für seine 900 Gemeinden mit 1,5
Am 5. August verstarb in Paris Kardinal Jean-Marie Lustiger. Dies war von weltweiter Anteilnahme begleitet - auch von jüdischer Seite. In Nachrufen wurde immer wieder die jüdische Herkunft des Kardinals hervorgehoben, der 1926 als Aaron Lustiger in Paris geboren worden war, sich nach der Deportation seiner Eltern bei einer Pflegefamilie in Orléans versteckte und mit 14 Jahren getauft wurde. Anlässlich des 40. Jahrestag der Konzilserklärung "Nostra Aetate" sollte 2005 in Rom Lustiger sprechen. Der römische Oberrabbiner Riccardo di Segni verurteilte damals diese Wahl: Lustiger sei durch