Juden als Verantwortungselite

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Thema: Eliten

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F ür die Zukunftsgestaltung unserer Gesellschaft ist nicht allein die Beherrschung rein fachspezifischer Gegenstände maßgeblich, so wichtig Expertenwissen auch ist. In einem demokratischen Gemeinwesen brauchen wir eine Rückbindung an Wertmaßstäbe. Dies gilt gerade für die Eliten. Obwohl sich in der jüdischen Orthodoxie noch der liturgische Ehrenprimat von vermutlichen Nachkommen der israelitischen Priester- und Levitenkaste erhalten hat, geht es vor allem darum, sich auf keinem Geburtsrecht auszuruhen. Beim Rabbineramt des Judentums geht es schon eher darum, sich aktiv und durch jahrelanges Studium in die Tradition eingeübt zu haben und bei der Anwendung in der Moderne fachliche Kompetenz und Verantwortungsgefühl zu zeigen.

Worum es im Judentum geht, ist die Herausbildung von Verantwortungseliten. Diese müssen zusätzlich zur Fachkompetenz die Fähigkeit haben, sich mit Phänomenen wie wachsender Unsicherheit und Intransparenz auseinanderzusetzen und mit zunehmender Komplexität, Vernetzung und Dynamik umgehen können. Das gilt bei Weitem nicht nur im Rabbineramt. Deshalb widmet sich seit 2010 das Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk in Europa der individuellen Förderung junger jüdischer Studierender und Promovierender. Wir wollen damit eigenständige und (selbst)kritische Individuen erziehen, die sich als soziale Akteure mit Entscheidungskompetenz und Verantwortungsbereitschaft verstehen.

Das Menschenbild des Judentums fördert den kritischen Geist, der die Welt aktiv gestaltet. Damit hat das Judentum das Leitbild einer breiten Verantwortungselite, die dem Auftrag gerecht werden möchte, Gottes Volk zu sein: berufen zur Pflicht und zur selbständigen Fortentwicklung der göttlichen Schöpfung.

* Der Autor, Rabbiner, leitet das Abraham-Geiger-Kolleg in Berlin

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