Thema Interreligiöser Dialog
"Wir sind Erben einer langen Geschichte von gegenseitiger Verachtung unter den Religionen und Konfessionen, von religiösem Zwang, Streit und Verfolgung“, charakterisierte der jüdische Religionsphilosoph Abraham Joshua Heschel (1907-72) das Verhältnis der Religionen. Allein schon durch die Hebräische Bibel und den Juden Jesus von Nazareth sind Judentum und Christentum unlösbar miteinander verbunden.
Die Abgrenzung erfolgte von beiden Seiten: Mit dem Entstehen des Christentums, das zeitlich mit der Zerstörung des Zweiten Tempels verbunden ist, formierte sich auch das rabbinische Judentum in einer Art Gegenbewegung neu. Das Verhältnis von Kirche und jüdischer Gemeinschaft war zunächst von geschwisterlicher Rivalität geprägt, bis sich das Christentum unter Konstantin als Staatsreligion durchsetzte. Aus den Wechselbeziehungen zwischen Judentum und Kirche ergaben sich immer wieder Abgrenzungen des rabbinischen Judentums vom frühen Christentum, andererseits auch viele kulturelle Anleihen.
Auf diesem Erbe stehen wir, wenn wir aktuell ins Gespräch kommen. Die Fragen nach Göttlichkeit und Messianität Jesu trennt Juden und Christen am deutlichsten. Fürs Verhältnis von Judentum und Islam war es hingegen eine einende Klammer. Zum Dialog gehören deshalb das Verstehen, woher man kommt, und das kritische Reflektieren der eigenen Tradition. Wer einen Dialog führen möchte, muss Verbindendes und Trennendes klar benennen können. Dazu gehört die akademische Auseinandersetzung mit der Theologie ebenso wie die echte Begegnung. Diese wird dann möglich, wenn man davon ausgeht, dass auch die Position des anderen Wahrheit für sich beanspruchen kann. Die eigene Absolutheit zu relativieren, ist die eigentliche Herausforderung an die Religionen für ein Gespräch.
Der Autor, Rabbiner, leitet das Abraham-Geiger-Kolleg in Berlin
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