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Jesus eint und trennt

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Das christlich-jüdische Gespräch in Österreich wird heute insbesondere von drei Organisationen getragen. Die älteste ist die „Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich", die in den fünfziger Jahren als Reaktion auf den neuaufgeflammten Antisemitismus, und um diesen zu bekämpfen, entstanden ist. Die Aktion hat sich besonders durch ihre Jugendkonferenzen verdient gemacht und bemüht sich seit einigen Jahren durch Lehrerkonferenzen, die Erläuterung der Zeitgeschichte in den Vordergrund des Geschichtsunterrichts zu stellen. Ein weiteres Anliegen der Aktion war seit je, die Entfernung der Ritualmorddarstellüngen zu erreichen.

Die Anfänge des Koordinierungsausschusses für christlichjüdische Zusammenarbeit reichen ebenfalls in die fünfziger Jahre zurück. Zunächst wurde ein Referat im Rahmen von „Pax Christi" gegründet. Daraus wurde dann 1965 der Verein, der in erster Linie auf theologischem Gebiet arbeitet. Auf seine Initiative ging die Durchsicht der katholischen Religionslehrbücher zurück. Eine Arbeit, die ihren Niederschlag in dem Memorandum fand, das der Koordinierungsausschuß 1967 Kardinal König überreichte.

Das IDCIV (Informationszentrum im Dienste der christlich-jüdischen Verständigung) der Si-onsschwestern arbeitet eng zusammen mit diesen beiden Vereinen. Das Informationszentrum wurde 1967 errichtet in erster Linie für Lehrpersoneh, Erzieher und andere, die mit der Jugend befaßt sind. Das dort zur Verfügung stehende Material wird sowohl von Religionslehrern für ihren Unterricht als auch von Studenten für ihre Seminar- und Hausarbeiten benutzt. Schulklassen bekommen mit Hilfe von Anschauungsmaterial eine erste Einführung in das Judentum. Monatliche Vorträge und fallweise Studienreisen ins Ausland sind allgemein zugängliche Angebote zur Weiterbildung.

In den vergangenen Jahrzehnten war man bemüht, unsere Gemeinsamkeiten hervorzuheben. Oft geschah dies mit der Absicht, vom heutigen Judentum mehr über das Leben Jesu zu lernen. Dabei wurde das Judentum aber oft als eine „Reliquie" der Vergangenheit angesehen. Daß das Judentum auch heute noch eine Bedeutung im Heilsplan Gottes hat, wurde dabei meist übersehen. Heute ist man auch bereit, über das Trennende zu sprechen. Dadurch tritt das heutige Judentum stärker in das Blickfeld und somit die Erkenntnis, daß das Judentum auch heute noch eine Heilsbedeutung hat.

Was wir gemeinsam haben und was uns trennt, wurde in Kurzform in dem Text des österreichischen Pastoralinstituts „Die Christen und das Judentum" formuliert. Das Gemeinsame faßt das Papier in sechs Punkten zusammen: die Bibel, der Glaube an den einen Gott, der Bund, das Liebesgebot, die Erwartung des Gottesreiches und der Gottesdienst. Zu dem Trennenden heißt es: „Die Glaubensunterschiede zwischen Juden und Christen gründen und konzentrieren sich im christlichen Glauben an Jesus Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes."

Bei Vorträgen im Rahmen einer Tagung des „International Council of Christians and Jews" (ICCJ) in Florenz im Juli wurde von mehreren christlichen Referenten darauf hingewiesen, daß das, was uns eint, uns oftmals auch trennt. So meinte P. Marcel Dubois in be-zug auf unser jeweiliges Verhältnis zu Jesus: „Jesus eint uns in dem Augenblick, da er uns trennt." Prof. van Beuren meinte, daß nicht nur Jesus sondern auch die Bibel und der Staat Israel uns sowohl einen als auch trennen, wobei die Trennung von der verschiedenen Sicht herrührt. So meinte z. B. die Kirche, daß die Bibel zu den Christen sprach, sie vergaß aber, daß sie in der Sprache Israels geschrieben ist. Und so wurde die Heilige Schrift Israels zum „Alten Testament".

Papst Johannes Paul II. hat in den letzten Jahren mehrmals das Wort zu diesem Thema ergriffen. Anfang Juli anläßlich eines Empfanges der Vorstandsmitglieder des ICCJ sagte der Papst unter anderem: „Die Goldene Regel haben, das wissen wir gut, Juden und Christen gemeinsam." Das ist nicht nur eine Ermutigung zu weiteren Bemühungen um ein Gespräch, es ist auch eine Ermutigung zu gemeinsamem Handeln.

Sr. Dr. Hedwig Wahle ist Angehörige der Sionsschwestern in Wien.

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