Synagoga - © Foto: Wikipedia (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

Geschwisterlichkeit: Eine inspirierende Vision

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Geschwisterlichkeit statt Judenfeindschaft: Auf diese Basis stellen Christinnen und Christen ihr bis heute belastetes Verhältnis zum Judentum. Bilder der Verachtung gehören dabei der Verganenheit an.

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Geschwisterlichkeit statt Judenfeindschaft: Auf diese Basis stellen Christinnen und Christen ihr bis heute belastetes Verhältnis zum Judentum. Bilder der Verachtung gehören dabei der Verganenheit an.

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„Warum Geschwisterlichkeit? Das Gegenteil von Feindschaft ist doch Freundschaft und das hätte auch einen positiveren Klang.“ Dieser Einwand ist naheliegend und verständlich. Doch die Argumente für das von Ferenc Simon, dem Wiener Diözesanbeauftragten für christlich-jüdische Zusammenarbeit, vorgeschlagene Motto waren stärker. Geschwister zu haben und Geschwister zu sein, kann sich niemand aussuchen. Mit Geschwisterlichkeit wird eine vorgegebene, nicht änderbare Beziehung benannt und anerkannt, während Freundschaft jederzeit wieder aufgekündigt werden könnte. Und Geschwister können gute Freunde sein oder auch werden. Von Johannes XXIII. bis Franziskus betonen die Päpste dieses Geschwistersein mit dem jüdischen Volk und die jüngsten Dokumente des orthodoxen Judentums bestätigen diese Sicht.

Nostra aetate – In Our Time

Sehr treffend stellt das neue Paradigma der Beziehung von Kirche und Synagoge, von Christentum und Judentum, die Bronzeskulptur „Synagoga and Ecclesia In Our Time“ dar (Bild oben). Zwei junge Frauen, wie Zwillinge aussehend, sitzen ganz nahe nebeneinander. Jede der beiden hat ihre Würde, eigens in einer zierlichen Krone sichtbar. Es scheint, dass sie einander stützen. Zugleich weist ihre Körperhaltung, besonders deutlich an den Beinen erkennbar, voneinander weg, die Kopfhaltung hingegen geht in die Gegenrichtung. Der Blick führt in die Schrift der jeweils Anderen, die Tora-Rolle und die Bibel, die jede Frau in ihren Händen offen zeigt, als ob sie diese der Anderen hinhalten würde, die gerade Einblick nimmt.

Diese Skulptur von Joshua Koffmann steht am Campus der Saint Josephs University in Philadelphia, USA, nahe der Chapel Saint Joseph. Sie wurde anlässlich 50 Jahre Nostra aetate am 25. September 2015 enthüllt und zwei Tage später von Papst Franziskus während seines USA-Besuches gesegnet. Ihr Titel verweist zeitlich nach hinten und nach vorne. Mit „Synagoga and Ecclesia“ greift sie die traditionelle Darstellung der Beziehung von Christentum und Judentum in der Gestalt von zwei Frauen auf. Diese waren ursprünglich gleich und nur in den Accessoires verschieden, doch seit dem 13. Jahrhundert stellt die Kirche sowie das Christentum eine strahlend schöne, selbstbewusste und siegreiche Frau dar und die Synagoge sowie das Judentum eine verblendete, gebrochene und besiegte Frau. „In Our Time“ übersetzt die lateinischen Eröffnungsworte von Nostra aetate, jenes Konzilsdokument, das kirchenamtlich am Anfang des Paradigmenwechsels steht. Die programmatische Idee für das Kunstwerk geht auf Mary C. Boys zurück, wonach jede „in ihrer eigenen Integrität und Vitalität“ existiert als „Partner im Bezeugen des Reiches Gottes und in der Arbeit für das Reich Gottes.“

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