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Unser Juden-Eafce: Trotzdem hoffen!

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Der christlich-jüdische Dialog ist ins Stocken geraten: nicht offiziell, nicht formell, man spürt es nur im Atmosphärischen.

Dieser Tage wurde in Wien wieder einmal versucht, den Bremsern ins Handwerk zu pfuschen. Die internationale jüdische Loge B’nai B’rith hatte den Distriktsdirektor Ernst Ludwig Ehrlich aus Basel zu einem Referat nach Wien eingeladen.

Anlaßfall war der zweite Todestag des unvergessenen Otto Herz, von dem Ehrlich zu Recht sagte: „Sein Platz im christlich-jüdischen Gespräch in diesem Land ist weitgehend leergeblieben." Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, Bundesminister Otto Rösch, Israel-Botschafter Yis-sakchar Ben-Yaacov und andere Prominenz solidarisierten sich durch ihre Anwesenheit mit Anlaß und Anliegen.

Der Gastreferent würdigte das „erstaunlich tiefe Verständnis" des jeitzigen Papstes für das Ju-dentutn, wolle er doch auch im Religionsunterricht das „gemeinsame Erbe" (eine Konzilsformulierung!) verkündet sehen. Aber auch Aussagen der deutschen Bischofssynode von Würzburg aus 1975 und das Dokument des Weltkirchenrates von 1982, in dem auch arabische und orthodoxe Christen ihr Verständnis für die Bedeutung des Landes Israel für die Juden bekunden, rühmte Ehrlich, ohne den „Schock" über Arafats Papstyisite zu verschweigen.

Wie sehr Religions-, Volks-, Staatsbewußtsein bei Juden einander durchdringen (aber auch widerstreiten), bezeugt das Dilemma, in das auch Kritiker der Regierung Begin immer wieder geraten: Sie sind wegen solcher Kritik noch lange keine Antisemiten (korrekter: Antijuden), und auch als Antizionist muß man gewiß nicht dem Antijudaismus huldigen - aber was tun, wenn die einen doch allzu oft und gern von den Argumenten der anderen zehren?

Davon war viel auch bei einem Gespräch zwischen jüdischen und katholischen Journalisten die Rede, zu dem tags zuvor die Arbeitsgemeinschaft katholischer Journalismen Wiens geladen hatte. Katalysator dieser erstmaligen, hoffentlich bald wiederholten Begegnung war der vielfach im christlich-jüdischen Dialog bewährte jüdische Bibelwissenschafter Pinchas Lapide, der „Hoffnung am Scheitern" lehrte:

Die jüdische Geschichte ist eine Geschichte ständiger Triumphe über Niederlagen, Verfolgungen und Scheitern. Auch Jesus Christus hat im Scheitern gesiegt. Mit der biblischen Hoffnung, „der jüdischesten aller Regungen", die nichts mit Utopie oder gar seichtem Optimismus zu tun hat, habe das Judentum „auch das Christentum unheilbar angesteckt".

‘Ganz ähnlich argumentierte Ehrlich: Die gemeinsame Hoffnung von Juden und Christen sei seit Abraham ein „Hoffen gegen alle Hoffnung". Juden wie Christen sei das Hoffen auf den Anbruch des Reiches Gottes gemeinsam: „Die Einlösung dieser Hoffnung ist Sache Gottes" (Ehrlich).

Freilich: Kein Jude würde sich die Erfüllung dieser Verheißung nur jenseitig-geistig vorstellen. Lapide: Elf mal ist Jerusalem zerstört, sechzehnmal geplündert und gebrandschatzt — niemals vernichtet worden.

Wenig deutet derzeit darauf hin, daß Österreichs Katholiken für ihren Katholikentag 1983 eine solche Hoffnung aufbringen werden. Vielleicht gelingt ihnen wenigstens eine Zeichensetzung, die aufmerken läßt.

Daß reformierte und katholische Christen von Basel antijüdische Schmieraktionen in ihrer Stadt mit einer gemeinsamen Ei--klärung quittierten („Als Christen erklären wir unsere volle Solidarität mit unseren jüdischen Mitbürgern; was sie betrifft, betrifft auch uns") nannte Ehrlich einen „Satz, auf den Juden jahrhundertelang gewartet haben". In Wien haben sie einen solchen trotz ähnlicher Vorfälle noch nie zu hören bekommen.

Was Juden in Osterreich während des Libanon-Krieges zu hören bekamen, traf viele hart — oft auch nur, weil sie heraushörten, öder -lasen, was wirklich nicht gemeint gewesen war. Einer der schärfsten Begin-Kritiker war und ist der Jude Hans Weigel. Die FURCHE schätzt ihn aus vielen Gründen, zensuriert ihn daher auch nicht und ließ ihn am 1. September 1982 Hartes sagen.

Daß Begin nicht mit Eichmann und Hitler in einem Atemzug zu nennen sei, auch nicht „die Bibel außer Kraft gesetzt" und die hebräische Sprache zur „Sprache der Splitterbomben" gemacht habe, hielt ihm schon am 13. Oktober in der FURCHE unser Tel-Aviver Korrespondent (und Begin-Kritiker) Schraga Har-Gil entgegen.

Trotzdem muß heute im Rückblick bei allem Respekt vor und aller Treue zu Hans Weigel gesagt werden: Sein Satz „Jetzt erst haben die Juden Christus wirklich gekreuzigt" hätte nicht in der FURCHE stehen dürfen.

Auch mit diesem Bekenntnis soll ein kleiner Beitrag zur Reinigung der Atmosphäre geleistet werden, die für das christlich-jüdische Giespräch notwendig ist: in Österreich, jetzt und nicht morgen, trotz und sogar wegen Begins, obwohl und weil so manche Christen und Juden von diesem Dialog nur wenig wissen möchten.

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