Kein Gedenktag der Republik

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Der Schauspieler Karl Merkatz hat ihn treffend verkörpert: den aufrechten Österreicher. Als "Bockerer" in der Filmreihe von Franz Antel spielt er die Rolle des Wiener Fleischhauers, der beim Anschluss an das Dritte Reich eine besonders verschmitzte, liebenswerte und doch nicht gefahrlose Form des Widerstands an den Tag legt. Gerne erkennen sich Herr und Frau Österreicher in diesem Charakter wieder: als von den Deutschen überrannte Nation, die aber Wege fand, sich der vollen Wucht des Nationalsozialismus zu entziehen.

Wer die Geschichte kennt, weiß es besser. Vor allem die eigentlichen Opfer wissen es besser. Zu den Bildern, die wir diesen 13. März wieder sehen werden, gehört der Blick auf den Heldenplatz, auf dem Adolf Hitler den jubelnden Massen meldet, Österreich sei heimgekehrt ins Reich. Aber auch die Bilder erniedrigter jüdischer Österreicher sollten wir vor Augen haben, wie sie zum Beispiel von besonders eifrigen Nazis gezwungen wurden, mit der Zahnbürste das Trottoir zu säubern. Der 70. Jahrestag des "Anschlusses" könnte in Österreich Grund sein, über Versagen und Mut um jenen 13. März 1938 nachzudenken, doch diese Wahrheit wird verdrängt.

Das macht den "Anschluss" auch in Zeiten einer Regierung Gusenbauer/Molterer so sperrig. Was sich zu diesem denkwürdigen Tag an öffentlicher Debatte und Anerkenntnis abzeichnet, ist herzlich wenig. Just am 13. März eröffnet in Wien eine gesamteuropäische Tagung jüdischer Gemeinden. Was man als Zeichen des Vertrauens werten könnte, findet durch die Republik leider wenig Resonanz. Der 13. März 2008 wird kein Tag großer Gesten der Republik sein oder gar der Wiedergutmachung gegenüber denen, die vor 70 Jahren in Folge des Anschlusses um ihr Lebensrecht gebracht wurden.

Der Autor ist Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam.

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